Was Zachäus mit Jesus erlebt hat, haben seither zahllose Menschen erfahren dürfen: Jesus nimmt mich bedingungslos an!
Was Zachäus mit Jesus erlebt hat, haben seither zahllose Menschen erfahren dürfen: Jesus nimmt mich bedingungslos an!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 30. Oktober 2016 (Lk 19,1-10)
Keiner in der ganzen Gegend war so unbeliebt, so verhasst wie dieser Zachäus. Denn er hatte die oberste Aufsicht über Zoll und Steuern im Bezirk von Jericho. Er war reich. Sehr reich. Und reich geworden ist er auf Kosten anderer. Wir stöhnen unter den Steuern, die wir zahlen müssen. Damals war es für die meisten Menschen viel härter. Bei uns sind die Steuern gesetzlich geregelt. Zur Zeit des Zachäus galt das Recht des Stärkeren. Und Zachäus war in einer Position, wo er seine Macht spüren lassen konnte. Er war der Chef aller Steuereinheber. So profitierte er am meisten. Und war daher besonders verhasst. Bei den Leuten und bei seinen untergebenen Kollegen.
Was bewegt Menschen, sich hinauf zu kämpfen auf Kosten anderer? Zachäus wurde immer reicher und immer einsamer. Und immer schuldiger durch das rücksichtslose Raffen an Reichtum. Aber offensichtlich regte sich in seinem Herzen noch etwas anderes als die Habgier. Eine Sehnsucht. Und sein Gewissen. Das dürfen wir nie vergessen: Auch im schlimmsten Ausbeuter, auch im fanatischen Terroristen, im größten Verbrecher gibt es noch den Funken des Gewissens, den Schimmer der Sehnsucht nach etwas Heilem und Gutem.
In der Geschichte von Zachäus berührt mich dieses: „Er wollte gerne sehen, wer dieser Jesus sei“. Was bewog ihn, den Superreichen, Jesus sehen zu wollen? Nur einfach sehen! Ich glaube, es war nicht bloße Neugierde. Es war die tiefe Sehnsucht, die in so vielen Ausgegrenzten lebt: angenommen zu werden. Einmal nicht verachtet zu sein. Was nützt alles Geld der Welt, wenn du nicht geliebt wirst? Das kann man nicht kaufen. Das kann nur geschenkt werden.
Zachäus ist klein an Gestalt. Und die Menschenmenge versperrt ihm den Blick. Niemand macht ihm Platz. Und er meidet wohl die Menge, aus der ihm so viel Ablehnung und Hass entgegenschlägt.
Wie groß muss sein Wunsch gewesen sein, Jesus sehen zu können! Wie ein Bub klettert er auf einen Baum. Im dichten Laub des Maulbeerfeigenbaumes ist er versteckt und kann doch gut sehen. Und was er nun erlebt, verändert sein Leben von Grund auf. Jesus kommt vorbei an diesem Baum und schaut hinauf. Wie muss dieser Blick gewesen sein! Ein Blick ohne jede Verachtung. Ohne Vorwurf. Und die Anrede: Zachäus! Jesus kennt ihn also. Und weiß somit, wer da am Baum sitzt.
„Ich muss heute dein Gast sein!“ Jesus fragt ihn nicht zuerst, ob er bereit ist, sich zu bessern. Er stellt keine Bedingungen: Wenn du dein schlechtes Leben änderst, werde ich dich besuchen kommen! Nein, er tut, was die Leute empört: Er kehrt bei einem Sünder ein! Nicht bei den frommen Leuten von Jericho, sondern beim verhassten Zachäus ist Jesus Gast gewesen.
Was Zachäus mit Jesus erlebt hat, haben seither zahllose Menschen erfahren dürfen: Jesus nimmt mich bedingungslos an! Es ist wirklich so: Nicht weil du brav und fromm bist, wirst du von Gott geliebt. Jesus sagt, er sei gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. Weil ich erfahren darf, dass Gott keinen abschreibt, auch mich nicht, kann ich aufatmen und mein Leben ändern, wie Zachäus.
In jener Zeit kam Jesus nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich. Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
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