Wenn es einen guten Gott gibt, warum lässt er so viel Leid zu? Wenn er allmächtig ist, was die Religion doch behauptet, warum wendet er dann seine Macht nicht gegen all das Leid?
Wenn es einen guten Gott gibt, warum lässt er so viel Leid zu? Wenn er allmächtig ist, was die Religion doch behauptet, warum wendet er dann seine Macht nicht gegen all das Leid?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 3. September 2017 (Mt 16,21-27).
Diese Frage plagt uns Menschen seit eh und je: warum das Leid? Warum so sinnlos viel Leid? Wenn es einen guten Gott gibt, warum lässt er so viel Leid zu? Wenn er allmächtig ist, was die Religion doch behauptet, warum wendet er dann seine Macht nicht gegen all das Leid?
Eines wissen wir sicher: Wir sollen Leid vermeiden. Vor allem sollen wir anderen keines zufügen, weder Menschen noch Tieren. Und wir sollen Leid lindern, so gut wir es können. Dazu hat Gott uns einen Verstand gegeben, um Wege zu finden, wie Leid verhindert oder wenigstens gemindert wird. Die Medizin ist ein Wunderwerk im Kampf gegen das Leid. Und viele Hilfswerke sind ganz darauf ausgerichtet, gegen Leiden aller Art zu kämpfen. Tag und Nacht geschieht überall auf der Welt Großartiges im Einsatz gegen die Not.
Petrus will Leid verhindern. Er tut es in bester Absicht – und wird dafür von Jesus aufs Schärfste zurechtgewiesen. Petrus will Jesus Leid ersparen – und wird von Jesus deshalb als ein Teufel bezeichnet, als Satan, der ganz gegen Gottes Willen steht. Wer soll sich da noch auskennen? Jesus hat doch selber so vielen Menschen aus schwerem Leid herausgeholfen, hat Kranke geheilt, Trauernde getröstet, ja sogar Tote wieder lebendig gemacht. Jetzt will Petrus dasselbe tun, und bekommt dafür den härtesten Rüffel. Was ist da passiert?
Jesus wusste, dass sein Weg nicht ohne Leid sein wird. Behutsam hat er seinen Begleitern und Freunden klar zu machen versucht, dass ihn Jerusalem auf ihn kein Triumph, kein Erfolg wartet. Er wird viel zu leiden haben, ja man wird ihn töten. Petrus meint es gut mit Jesus und redet ihm gut zu unter vier Augen: Gott bewahre, dass dir solch Schlimmes passiert! Das kann und darf doch Gott nicht zulassen! Er wünscht Jesus nur Gutes, also kein Leid. Er wünscht auch für sich selber, dass dem Meister nichts Arges widerfährt. Es wäre für ihn schrecklich, wenn sein verehrter und geliebter Jesus leiden müsste und getötet würde.
Warum reagiert Jesus so scharf auf diese gutgemeinten Worte des Petrus? Sein Vorwurf: Du denkst, wie die Menschen denken, nicht wie Gott denkt! Will also Gott, dass wir leiden? Will er, dass Jesus am Kreuz endet? Kann Gott so etwas wollen? Eines wird in dieser dramatischen Szene deutlich: Jesus hat seinen Leidensweg als Willen Gottes verstanden. Er hat ihn für sich als ein „Muss“ gesehen, zu dem er mit ganzem Herzen ja gesagt hat.
Petrus hat offensichtlich ein Wort Jesu überhört. Denn Jesus hat nicht nur angekündigt, dass er leiden und sterben muss. Er hat auch gesagt, dass er auferstehen werde. Für ihn ist das Leid, ja selbst der Tod, nicht die Endstation. Er sieht sein bevorstehendes Leiden als notwendigen Durchgang zum Leben.
Das Leid ist Teil eines großen Lebensgesetzes: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Niemand entkommt dem Leid. Von den Wehen der Geburt bis zu den Mühen des Altern und der Not des Sterbens ist unser Leben von Leiden begleitet. Petrus hat nur auf das Leid geschaut, das Jesus vorhergesagt hat, und wollte ihn davor bewahren. Jesus hat weiter gesehen: Sein schreckliches Leiden wird das Tor zur Auferstehung sein! Wir haben keine Antwort auf das viele Leid in der Welt. Wir müssen alles tun, um es zu lindern. Und dürfen vertrauen: Am Ende siegt das unzerstörbare Leben!
In jenen Tagen begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.
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