Rom erlebt Tage der Spannung: Während das Konklave tagt, strömen Gläubige. Doch abseits der Papstwahl bewegt eine Frage: Braucht die Kirche mehr Hirten als Manager?
Einen Kardinal in diesen Tagen in Rom zum Vatikan und zurück ins Quartier „per pedes apostolorum“ zu lotsen, ist eine eigene olympische Sportart. Es ist ein Spießrutenlauf zwischen frommen Pilgern (besonders auffällig: reiselustige Vorarlberger, denen ihr Landsmann ein kurzes Gespräch auf Vorarlbergisch selten abschlagen kann), sehr offensiven Journalistinnen, die zurzeit hier eine wahre Heerschar bilden und – um ihnen auch gerecht zu werden – einfach ihren Job machen, dazu noch, bei frühsommerlichen Temperaturen. Dazu kommen erschöpfte Touristen, die den Weg versperren. Kurz: Das ist eine Herausforderung eigener Art, noch dazu, wo der Begleitete einfach ein liebenswürdiger Mensch ist und es einer frommen Pilgerin nicht abschlagen kann, unterwegs den Rosenkranz zu segnen.
Was hört man aus dem Vorkonklave?
Zunächst einmal nichts. Das Stillschweigen wird sehr strikt eingehalten. Maximal kann man Nebensätzen entnehmen, dass es weder einen Richtungsstreit und noch weniger "Grabenkämpfe" gibt. Im Gegenteil: Es herrscht offenbar große Einmütigkeit unter den Kardinälen, die sich mittlerweile doch großteils kennengelernt haben. Viele von ihnen waren auch Teilnehmer der letzten Synode. Offenbar gibt die derzeitige Phase der „Kardinalskongregationen“ wenig Stoff für etwaige neue Filmprojekte.
Wie inszeniert man Einmütigkeit?
Eigentlich alle, teils jahrzehntelange Vatikanbeobachter, rechnen auch diesmal mit einem kurzen Konklave. Nur einer der „alten Hasen“ hier gibt mir im Gespräch zu bedenken: Die Kongregationen seien eine Sache, das Konklave mit seinem ernsten liturgischen Charakter erzeuge doch eine ganz eigene und oft unerwartete Dynamik. Er könne sich durchaus vorstellen, dass sich die Wahl länger hinziehe.
Mehr Hirte, weniger "Leiter"? Die Vater-Frage
Bis Sonntagabend wird noch täglich um 17:00 Uhr im Petersdom eine Messe für Papst Franziskus gefeiert. Kardinal Gugerotti hat gestern Abend Gedanken formuliert, die ich für bedenkenswert halte. Er erinnerte an die "geistlichen Väter und Mütter" der Ostkirchen. Auch in der Westkirche hätte man früher diesen Ausdruck verwendet, während wir eher von "geistlichen Führern" sprechen. Ist "Vater" ein veralteter Begriff? Angesichts von Vertrauensverlust und der Missbrauchskrise wirft die Wortwahl Fragen auf: Ist die Rede von „Leitung“ im Kontext von Kirche und Spiritualität nicht tatsächlich problematisch, und bleibt „Begleitung“- auch das ein neuer Begriff- nicht allzu vage?
Ich halte es für bemerkenswert, dass auch Papst Franziskus zwar nicht gern als „Heiliger Vater“, aber doch als "Vater" angesprochen werden wollte. Mag sein, dass das seiner Herkunft geschuldet war, und die Frage ist auch von Gugerotti nicht beantwortet worden – aber für frag- und diskussionswürdig halte ich sie allemal. Väter haben im Unterschied zu "Begleitern" und "Leitern" die Eigenart, dass man sie gleichzeitig lieben und sich an ihnen reiben oder auch mit ihnen heftig streiten kann. Aber sie bleiben immer eine Bezugsfigur, auf die man sich verlassen kann.
Wenn der Vater fehlt
Und noch einmal zu Franziskus: Ich kam am Vormittag kurz an S. Maria Maggiore vorbei. Die Warteschlange, die man gewöhnlich am Petersplatz gewohnt ist, hat sich zurzeit dorthin verlagert. Bis zu drei Stunden wartet man laut einem Wachebeamten, bis man am Grab von Franziskus angekommen ist, es sei denn, man kommt am frühen Morgen vor 8.00 Uhr. Der Vater fehlt ganz offensichtlich.
Der künftige Bischof von Rom, wer immer es sein wird, bleibt wohl auch in Zukunft die Vaterfigur für die Katholiken auf der ganzen Welt.