Die Christen klagen die Menschenrechte weniger ein, sie gewähren diese dem Anderen, vor allem dem, dessen Menschenwürde mit Füßen getreten wird.
Die Christen klagen die Menschenrechte weniger ein, sie gewähren diese dem Anderen, vor allem dem, dessen Menschenwürde mit Füßen getreten wird.
Erst auf dem Boden des jüdisch-christlichen Menschenbildes sind die Menschenrechte möglich geworden: "SONNTAG"-Interview mit Dogmatik-Professor Jozef Niewiadomski (Innsbruck). Im April bei den „Theologischen Kursen“, über Europas Angst vor der Religion.
Welche Zukunft hat das zur Zeit fast zerrissene Europa?
NIEWIADOMSKI: Überall wachsen Mauern. Auch in den Köpfen. Das schlimmste Szenario sieht darin den Beginn des Ende der Europäischen Union, das beste glaubt nur noch an eine Feuerprobe, aus der wir gestärkt hervorgehen können. Viel wird vom Ausgang des Referendum in Großbritannien abhängen.
Das politische Geschehen und schon gar nicht ein Appell zur Integration werden die wichtigste Frage nach dem, was uns verbindet, nicht beantworten. Der Markt allein schafft die Einheit nicht.
Ein kluger Mensch hat mal gesagt, erst die Liebe überwindet die Ferne und macht die Nähe erträglich.
Welche Rolle kann das jüdisch-christliche Menschenbild in Zukunft spielen?
NIEWIADOMSKI: Es sensibilisiert auf die Frage, wem die Liebe und die Solidarität gelten kann.
Die „neuheidnischen“ Werte sehen nur den „Volksgenossen“, die liberale Politik die universal geltenden Menschenrechte. Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, war aber das Scheitern einer Politik, die in der Rhetorik der Menschenrechte den alleinigen Kitt für ihre Werte sieht.
Losgelöst vom christlich-jüdischen Menschenbild und dem dahinter stehenden Glauben an Gott verkommen sie nämlich zur politischen Rhetorik und zur politischen Waffe, die man gegen andere richtet.
Die Christen klagen die Menschenrechte weniger ein, sie gewähren diese dem Anderen, vor allem dem, dessen Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Auch wenn viele es nicht gerne hören, das christlich-jüdische Menschenbild bleibt der Boden, auf dem die Menschenrechte möglich geworden sind und auf dem sie letzten Endes überleben werden.
Was macht Europa dann eigentlich aus?
NIEWIADOMSKI: Es gibt kein gemeinsames Ziel und das ist eben das Problem, wenn gar nicht eine Tragödie.
Lange Zeit haben wir uns hinweggeschwindelt, dass unser Ziel die Modernisierung Europas sei. Eine Gesellschaft aber, die nur modern sein will, wird über kurz oder lang modern (betont auf die erste Silbe). Vielleicht ist nun das erste, was wir brauchen, die Überwindung der spezifisch europäischen Angst vor der Religion.
Nur religiöse Menschen können der moralischen Falle der universal geltenden Menschenrechte entkommen, ohne das sie zynisch werden. Wir sind eben nicht Gott, der immer und überall für alle verantwortlich sei.
Aber gerade deswegen können wir die Rolle des barmherzigen Samariters wahrnehmen.
Univ.-Prof. Dr. Jozef Niewiadomski
ist seit 1996 Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck und doziert auch im Theologischen Studienjahr an der Dormition Abbey in Jerusalem.
"Im Anfang"
das Semester-thema der „Theologischen Kurse“.
13. April, 15-17.30 Uhr: „Grenzen ziehen – Grenzen überwinden.
Denkanstöße zur Identität und Zukunft Europas“, mit Univ.-Prof. Dr. Jozef Niewiadomski.
13. April, 18.30-21 Uhr: „Wie wird ICH? Systemische Therapie meets Erbsündentheologie“,
mit Dipl. Päd. Silvia Neuberger BA (Lehranstalt für Systemische Familientherapie Wien), Univ.-Prof. Dr. Jozef Niewiadomski.
20. April, 18.30-21 Uhr: Ökumenisches Kurz-Symposium: „Der barmherzige Gott in einer unbarmherzigen Welt. Das Heilige Jahr und der Weg an die Ränder.“
Mit
Ort: Stephansplatz 3,
Wien 1.
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder
E-Mail: wienerkurs@theologischekurse.at
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien