„Niederlagen gehören dazu, damit du wieder weißt, du musst mehr tun, du musst es besser machen.“
„Niederlagen gehören dazu, damit du wieder weißt, du musst mehr tun, du musst es besser machen.“
Herbert Prohaska ist Österreichs Jahrhundertfußballer und bekannter Analyseexperte im Fernsehen. Im Interview erzählt er uns über seine entbehrungsreiche Kindheit, blickt auf den legendären Sieg gegen Deutschland bei der WM 1978 zurück, schildert seine Eindrücke von der Audienz bei Papst Johannes Paul II. und wer für ihn zu den WM-Favoriten in Russland gehört.
Vergangenen Samstag strahlte Herbert Prohaska. Nach 32 Jahren gewann Österreich wieder einmal ein Fußballspiel gegen Deutschland.
In Klagenfurt siegten Alaba, Arnautovic & Co. gegen unseren „großen“ Fußballnachbarn mit 2:1. Prohaska gehörte der legendären Mannschaft an, die vor 40 Jahren im argentinischen Cordoba Deutschland mit einem 3:2-Sieg von der Fußballweltmeisterschaft nach Hause schickte.
Prohaska ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten des heimischen Fußballs. Man kennt ihn sowohl als Spieler, als Trainer der Wiener Austria, des Nationalteams, sowie als Experte im Fernsehen.
Wenn am 14. Juni in Russland die Fußballweltmeisterschaft beginnt, wird er wieder Spielszenen analysieren und uns erklären, warum die eine Mannschaft gewonnen und die andere verloren hat.
Was erwarten Sie von der Weltmeisterschaft?
Es gibt wie immer die gleichen Favoriten. Das sind natürlich Deutschland als Titelverteidiger, Brasilien, Frankreich und Spanien. Dazu kommen Außenseiter wie Belgien und vielleicht Uruguay.
Nicht immer. Am 21. Juni jährt sich der Sieg Österreichs über Deutschland bei der WM in Argentinien zum 40. Mal.
Unsere Besetzung war sensationell. Es war ein Highlight unserer Karriere. Uns war gar nicht bewusst, welche Euphorie wir zu Hause ausgelöst hatten.
Sie sind in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen.
Meine Eltern und ich haben in Wien-Simmering mit dem Großvater in einer Wohnung gewohnt. Es gab ein Zimmer und eine Küche. Bis zum zwölften Lebensjahr lag ich in der Mitte des Bettes zwischen den Eltern.
Das hört sich nach einer entbehrungsreichen Kindheit an...
Wir hatten kein Auto, kein Telefon, keinen Fernseher, es gab keinen Urlaub für meine Eltern. Ich kickte mit löchrigen Semperit-Schuhen, in denen ein Karton ein Loch verschloss. Aber wir hatten genug zu essen und zu trinken.
Wie wurde Ihr Talent entdeckt?
Seit dem vierten Lebensjahr nahm mich mein Vater auf Fußballplätze mit. Ich habe das Kicken im Käfig gelernt, spielte dann mit 15 in der Kampfmannschaft bei Ostbahn XI, dann kam das Angebot der Wiener Austria.
Wenn man an Ihre Zeit als aktiver Fußballer denkt, dann was Ihr Spielstil ja sehr ästhetisch.
Die Trainer haben gesagt: Burli, beim Fußball musst du den Kopf oben haben, nicht den Ball anschauen, sondern du musst den Ball mit den Füßen spüren. Deswegen ist vielleicht auch dieser Stil rausgekommen, der vielleicht ein bisschen eleganter als bei anderen ausgesehen hat. Aber dennoch habe auch ich nicht immer gut gespielt.
Legendär ist Ihr „Sauspitz“ beim 1:0-Sieg in der Türkei, was die Qualifikation für die WM 78 bedeutete.
Es war ein ordinärer Spitz. Mein einziger derartiger Schuss, auf den ich natürlich heute noch stolz bin.
Danach ging es für Sie zu Inter Mailand, später zu AS Roma...
In Rom wurden wir nach 41 Jahren Meister. Danach gab es, mitinitiiert von mir, auch eine Privataudienz bei Papst Johannes Paul II. Die ganze Mannschaft mit Familienangehörigen und Freunden war dabei. Es war ein großes Erlebnis.
Was hat der Papst gesagt?
Er hat eine allgemeine Ansprache gehalten und uns gratuliert, auch mir persönlich. Wir haben ein Erinnerungsfoto zu Hause. Unsere Töchter, damals vier und ein Jahr, waren mit. Die Ältere hat sich nicht getraut, den Papst anzuschauen, die jüngere hat durchgeweint.
Meine Schwiegermutter lebt bei uns im Haus und hat da ein eigenes Zimmer. Wenn hin und wieder Arbeiten fällig sind und die Arbeiter das Foto sehen, haut’s die aus den Socken. Sie sagen: „Was, die waren beim Papst?“ Die Schwiegermutter sagt dann ganz stolz: Ja.
Sie sind seit 44 Jahren mit Ihrer Frau Elisabeth verheiratet. Was ist das Geheimnis Ihres Eheglücks?
Geheimnis gibt es keines. Wir haben ganz einfach zusammengepasst. Wir waren ganz jung. Ich war 17, als wir uns kennengelernt haben. Meine Frau ist zwei Jahre älter und war für mich die wichtigste Person in meiner Karriere. Es war eine meiner wichtigsten Entscheidungen, früh zu heiraten, ein geregeltes Familienleben zu haben.
1999 waren Sie Trainer des Nationalteams, das 0:9 in Spanien verlor. Danach mussten Sie zurücktreten. Wie geht man damit um?
Es war eine gute Lebensschule. Auf der Straße bin ich mir fast so vorgekommen wie Jesus, wo sich das Wasser teilt, aber im negativen Sinne. Wenn ich auf der Kärntner Straße unterwegs war, sind mir die Leute ausgewichen.
Für mich war es aber ein reinigendes Gewitter. Du warst vorwiegend vom Erfolg verwöhnt und jetzt hast du wieder mal eine auf den Deckel bekommen, damit du wieder schön am Boden unten bist. Das gehört genauso dazu und ist auch wichtig.
Fußball würde viel weniger Spaß machen, wenn du immer nur erfolgreich bist. Niederlagen gehören dazu, damit du wieder weißt, du musst mehr tun, du musst es besser machen. Im Prinzip ist Fußball eine Lebensschule.
Sind Sie für Ihr Leben dankbar?
Überhaupt keine Frage, besonders wenn ich daran denke, wie schwer es meine Eltern hatten. Ich kann ganz sicher sagen, ich gehöre nicht zu den Menschen, die das Geld zum Fenster hinauswerfen. Natürlich leistest du dir ein bisschen Luxus. Ich spare nicht beim Urlaub oder beim Essengehen. Aber das ist schon alles.
zur Person
Geboren
am 8. August 1955 in Wien
Aufgewachsen
in Wien-Simmering
Erlernter Beruf:
Automechaniker
Spitzname:
„Schneckerl“, weil er eine lange lockige Haarpracht hatte
Spielte bei:
Ostbahn XI, Austria Wien, Inter Mailand, AS Roma
Erfolge als Spieler:
7-mal österreichischer Meister und
4-mal Cupsieger mit Austria Wien,
italienischer Cupsieger mit Inter Mailand,
italienischer Meister mit AS Roma,
WM-Teilnahmen 1978 und 1982,
Austria Wiens und Österreichs Spieler des Jahrhunderts
Stationen als Trainer:
Austria Wien, U-21 Österreich, Nationalteam
Wohnhaft
in Klosterneuburg
Verheiratet
seit 44 Jahren mit Elisabeth, zwei Töchter
ganz einfach lebenswert. Es heißt Verantwortung zu übernehmen, was immer man gerne machen möchte. Und ganz einfach Freude am Leben zu haben und zu versuchen, dass es mir und den Menschen um mich herum gut geht.
Familientag: Zwei-, dreimal im Monat kommt bei uns am Sonntag die ganze Familie zusammen. Das ist dann sizilianische Großfamilie mit drei Hunden. Es ist auch so laut und geht auch so zu. Ich genieße es, dass ich den Sonntag mit der Familie verbringen kann.
auf jeden Fall da. Selbst wenn ich im Ausland bin, gehe ich in Kirchen, um für meine Familie zu beten und zünde dort Kerzen an. Ich war sicher im Petersdom und im Mailänder Dom zehnmal so oft wie im Stephansdom. Am Sonntag war Spiel, am Montag frei, da sind wir mit unseren Verwandten und Freunden oft in die Domkirchen gegangen.
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