Wiener Dogmatiker in Analyse des jüngsten Studiendokuments über die Zukunft des Papstamtes: Verschränkung von Primat und Synodalität ist wichtiger Schritt - Allerdings müsste sich das Dokument auch in der päpstlichen Amtsführung niederschlagen, damit es nicht nur "rhetorisches Ornament" bleibt.
Grundsätzlich positiv hat der Wiener Theologe Prof. Jan-Heiner Tück auf das am Donnerstag im Vatikan präsentierte Studiendokument über eine mögliche Neujustierung des Papstamtes reagiert. "Das Anliegen von Papst Franziskus, Primat und Synodalität wechselseitig zu verschränken, hat altkirchliche Wurzeln und ist ökumenisch zukunftsträchtig", schrieb der Dogmatik-Professor in einer Analyse auf dem Online-Portal "communio.de". Wenn es tatsächlich wie geplant im kommenden Jahr zu einem verbindlichen Lehrdokument ausgebaut würde, so wäre dies "ein veritabler ökumenischer Fortschritt".
Bedeutsam sei das Dokument vor allem aus drei Gründen, führte der Theologe aus: Zum einen helfe es, die ökumenisch für Irritation sorgenden "steilen Papst-Dogmen" des 19. Jahrhunderts einzufangen und im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) neu zu interpretieren. So könne es gelingen, die problematischen Begriffe wie Unfehlbarkeit, Autorität oder Primat in ein neues Licht zu rücken. Dieses Vorgehen, das u.a. 1999 bereits zur gefeierten "Gemeinsamen Erklärung" zur Rechtfertigungslehre in der Ökumene geführt hatte, dürfe nicht vorschnell als "Schummel-Ökumene" diskreditiert werden, mahnte Tück.
Weiters zeige sich in dem Dokument eine "ökumenische Lernfähigkeit" der katholischen Kirche, die - anders als noch im 19. Jahrhundert - vorschlägt, dass es eine "abgestufte Bedeutung des päpstlichen Primates" geben könne; dass es also durchaus akzeptabel sein könne, wenn andere Konfessionen das Papstamt etwa als Ehrenvorsitz begreifen. Im Blick speziell auf die Kirchen der Reformation stelle dies den Papst vor die Herausforderung, eine "freiwillige Selbstbeschränkung" zu üben und den "Radius synodaler Beratungen ökumenisch" zu erweitern, so Tück.
Schließlich könne durch den Vorschlag "intermediärer Instanzen", also regionaler Beratungen und Räume, sowie eines verstärkten Setzens auf das Prinzip der Subsidiarität - also der Entscheidung von lokalen Fragen vor Ort und nicht mehr zentralistisch - dazu führen, dass die Autorität der Bischofskonferenzen gestärkt wird, zeigte sich der Theologe überzeugt.
Abschließend verwies Tück darauf, dass sich das Dokument dann jedoch auch in der Amtsführung des Papstes selber niederschlagen und bewähren müsse. Was das bedeutet, könne man mit einem Blick auf die jüngsten Entscheide des Papstes sehen: "Päpstliche Ad-hoc-Entscheidungen - wie zuletzt das Nein zum Diakonat der Frau - oder Dokumente römischer Dikasterien, die ohne synodale Abstimmung universalkirchliche Vorgaben machen - wie das Schreiben 'Fiducia supplicans' zur Segnung homosexueller Paare - wären dann nicht mehr möglich. Die Rede von der Synodalität dürfte nicht nur rhetorisches Ornament bleiben, sie müsste die Ausübung des Primates verbindlich bestimmen - das wäre am Ende auch eine Lektion für den Papst!"