Chefredakteurin Christine Haiden ist Feministin. Das bedeutet, dass Frauenleben für sie wichtig sind.
Chefredakteurin Christine Haiden ist Feministin. Das bedeutet, dass Frauenleben für sie wichtig sind.
Das Arbeiterkind Christine Haiden will auch als Chefredakteurin nicht vergessen, wie sich andere fühlen. Im Interview mit Franziska Libisch-Lehner spricht sie über Frauenpolitik, den Mut zur eigenen Stimme und die Lust am Arbeiten.
Frauenleben ist aufregender und facettenreicher als Mann-Sein“, sagt Christine Haiden. Die Chefredakteurin der „Welt der Frau“ begründet, dass mit der Auswahl an Kleidungsstücken, gesellschaftlichen Rollen oder Lebensabschnitten.
Haiden ist es gewohnt, klare Stellungen zu beziehen. Als Älteste lernte sie früh Verantwortung, als Juristin Paragraphen und als Journalistin, wie man sich als Frau eine Stimme verschafft.
Sind Sie Feministin? Verstehen Sie Frauen besser als andere?
Feministin zu sein empfinde ich als Ehrenwort. Weil es heißt sich mit der weiblichen Sicht der Welt zu beschäftigen. Frauen haben eine andere Geschichte als Männer. Diese Geschichte prägt uns und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern prägt die Position der Frauen in der Gesellschaft.
Feminismus ist nicht auf die Region zwischen Bodensee und Neusiedlersee beschränkt. Global gesehen ist noch viel zu tun, um zu einer wirklichen Gleichstellung und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechter zu kommen.
Ist „Welt der Frau“ ein Baustein auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit?
Ich glaube, dass Gerechtigkeit nur durch viele verschiedene Impulse erreicht werden kann. Die „Welt der Frau“ ist sicher ein Teil davon. Es geht darum, dass das Geschlecht den Menschen nicht vordergründig bestimmt. Es ist nur eine von mehreren Eigenschaften, die den Menschen ausmachen.
Sie sind Journalistin, Chefredakteurin, schreiben Kolumnen, moderieren, halten Workshops und und und... Arbeiten sie gerne?
Definitiv. Ich mache das wirklich gerne. Und ich finde es sehr schön unterschiedliche Dinge machen zu können, die sich wieder untereinander verschränken und verknüpfen. Und ich habe das Gefühl, dass das beständig meinen Horizont erweitert.
Ich bin ein wirklich sehr neugieriger Mensch. Ich möchte vieles wissen und verstehen. Mein Beruf ermöglicht es mir, diese Neugier zu stillen.
Sie sind ein Arbeiterkind. Ihr Vater war Schichtarbeiter, ihre Mutter hatte eine kleine Landwirtschaft und sie sind die Älteste von fünf Geschwistern. Wie prägt Sie ihre Herkunft?
Als Älteste lernt man automatisch Verantwortung zu übernehmen. Man hat von Anfang an eine Führungsaufgabe mit allen Ambivalenzen, die das mitbringt. Am Bauernhof lernt man zu arbeiten und die Disziplin Dinge zu Ende zu bringen, weil sie getan werden müssen.
Das ist für mich eine positive Prägung. Ich mag die bäuerliche Arbeit, weil ich dabei erleben kann, wie es ist, wenn man etwas anbaut und am Ende erntet.
Das gehört ja auch zur Arbeit dazu, dass man irgendwann mit etwas beginnt, es sich entwickelt und am Ende kann man ernten.
Spielt Ihre Kindheit und Jugend in Ihrer heutigen Tätigkeit als Chefredakteurin noch eine wichtige Rolle?
Mich hat meine Herkunft aus den sehr kleinen Verhältnissen geprägt. Ich versuche mir ein Grundverständnis dafür zu erhalten, wie es ist, wenn man am gesellschaftlichen Ende ist und nicht privilegiert zur Welt kommt.
Es gibt Unterschiede. Menschen, die in bürgerlichen Verhältnissen zur Welt kommen, mit einer materiellen Sicherung oder familiäre Stabilität, nehmen sich einfach das Wort.
In einer Bauern- oder Arbeiterschicht ist das nicht so. Dort wird man mit dem Bewusstsein groß, dass man sich hinten anstellen muss. Diese Erfahrungen und dieses Wissen möchte ich mir bewahren.
Es schützt mich davor, zu vergessen, wie sich die fühlen müssen, die nicht gehört werden.
Heute werden Sie gehört: Sie moderieren, halten Workshops usw... Wie haben Sie zu Ihrer Stimme gefunden?
Weil ich dem nachgegangen bin, was als Impuls aus mir selbst gekommen ist, also was ich gerne mache.
Der nächste wichtige Schritt zur eigenen Stimme ist die Resonanz der anderen. Weil es ja nichts nützt, wenn ich etwas sagen möchte, aber es keiner hören will. Es ist ein Wechselspiel zwischen mir und den anderen.
Hatten Sie immer schon den Mut zum Leiten und Führen?
Ich glaube schon, dass es dafür eine gewisse Begabung braucht. Ich habe keine Scheu, mich vor Gruppen zu stellen und etwas zu sagen. Es macht mir auch Freude als Moderatorin Menschen, Meinungen und Stimmen zu verbinden. Das finde ich überhaupt sehr wichtig. Wir leben in einer Welt, die davon lebt, dass viele verschiedene Stimmen gehört werden und nicht nur einzelne Ausgewählte.
Braucht es die „Welt der Frau“, damit Frauen gesehen und gehört werden? Es gibt ja schon so viele Frauenzeitschriften…
Naja, man könnte auch sagen, dass man die Bäume lieber einsetzen könnte, als sie zu Papier zu verarbeiten. Ich glaube, dass die „Welt der Frau“ neben den anderen Frauenzeitschriften einen eigenen Charakter hat.
Wir wollen Geschichten, Entwicklungen und Gesichter zeigen. Und wir wollen von unserer christlich geprägten Basis aus einen Beitrag leisten. Dazu gehört die Sinnfrage oder wie sich Frauen mit Gott oder dem Universum verbinden können.
Haben Frauen eine andere Geschichte als Männer? Brauchen Frauen eine eigene Zeitschrift?
Frauen sind den Männern in Österreich seit 40 Jahren rechtlich gleichgestellt. Das ist erst eine Frauengeneration.
Ich bin noch mit einer Mutter aufgewachsen, die ganz anderes gewohnt war. Damals durften Frauen nicht ohne die Zustimmung des Mannes arbeiten oder Dokumente unterschreiben. Das alles prägt natürlich.
Noch immer machen sich viele Frauen klein oder stellen ihre Bedürfnisse zurück. Junge Frauen glauben dagegen, dass sie perfekt sein und alles wissen müssen.
Das ist ja nicht naturgegeben, sondern ein Ausdruck der Geschichte. Darum ist es wichtig, die Prägung und die eigene Geschichte zu reflektieren. Und ja, darum braucht es auch eine Zeitschrift wie die „Welt der Frau“.
Ist Frau-Sein wirklich so kompliziert? Ist es schwieriger als Mann-Sein?
Lacht... Nein, es ist nicht schwieriger, es ist lustiger. Ich glaube ein Frauenleben ist aufregender und facettenreicher als Mann-Sein.
Als Frauen haben wir uns ein unglaubliches Spektrum an Rollen erarbeitet. Schauen Sie sich nur die Kleidung an. Frauen können alles sein, vom Vamp bis zur Aussteigerin. Im Vergleich dazu haben die Männer eine kleinere Auswahl.
Frauenleben finde ich auch wegen unserer Biologie spannender. Unsere Hormone schicken uns auf ständige Berg- und Talfahrten. Und: Wir Frauen können Kinder bekommen.
Vielleicht ist es auch das negative Erbe des Feminismus aus den 70er und 80er-Jahren, der das Frauenleben problematisiert hat. Wir sollten das lassen, die Vielfalt von Frau-Sein heute sehen und auch weniger perfekt sein wollen.
Christine Haiden ist seit 1993 Chefredakteurin der österreichischen katholischen Frauenzeitschrift „Welt der Frau“.
Die Juristin schreibt Kolumnen und Bücher, hält Workshops und Vorträge.
Die gebürtige Niederösterreicherin ist leidenschaftliche Gärtnerin. Ihr großer persönlicher Wunsch ist es, ihre Obstbäume im Garten so blühend und groß zu erleben, dass sie für die Ernte auf die Bäume hinaufklettern kann.
„Welt der Frau“ beschreibt und reflektiert die vielfältigen Beziehungen und Bezüge von Frauen und ordnet sie aus christlicher Sicht ein.
Herausgeberin ist die Katholische Frauenbewegung Österreich. Die Frauenzeitschrift erscheint seit 1946.
www.welt-der-frau.at
Die Welt der Frauen. Christine Haiden spricht über Frauenleben- und geschichte am Montag, 21. August, um 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
Wiederholung am Sonntag, 27. August, um 17.30 Uhr.
Nachhören auf radio klassik Stephansdom
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at