Brief von Paul Schneider an seine Frau am dritten Seitenaltar im linken Seitenschiff der Basilika San Bartolomeo all'Isola.
Brief von Paul Schneider an seine Frau am dritten Seitenaltar im linken Seitenschiff der Basilika San Bartolomeo all'Isola.
In der römischen Basilika San Bartolomeo auf der Tiberinsel steht der Originalbrief von Pastor Paul Schneider, den er kurz vor Ostern 1938 aus dem KZ Buchenwald an seine Frau geschrieben hat. Schneider, ein mutiger Theologe und Mitglied der Bekennenden Kirche, wurde von Papst Johannes Paul II. und Papst Franziskus als Märtyrer gewürdigt.
Paul Schneider kommt am 29. Juli 1897 in Hochelheim, einem Dorf in Mittelhessen, als Sohn eines lutherischen Pfarrers zur Welt. Schon als Soldat im I. Weltkrieg hat er den Wunsch, Theologie zu studieren. Nach seinem Studium in Gießen, Marburg und Tübingen wird er zum Pfarrer ordiniert und arbeitete in verschiedenen Gemeinden.
1926 heiratet er die Pfarrerstochter Margarete Dieterich und folgt seinem Vater im Pastorenamt nach. Aus der Ehe gehen eine Tochter und fünf Söhne hervor.
Schneider erkennt frühzeitig, dass die Ideologie der Nationalsozialisten nicht mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens vereinbar ist. Er schließt sich der Bekennenden Kirche an, einer Bewegung innerhalb der evangelischen Kirche, die sich gegen die nationalsozialistische Einflussnahme auf die Kirche zur Wehr setzt.
Der junge Pastor predigt unerschrocken, kritisiert öffentlich die nationalsozialistische Ideologie und weigert sich, den Hitlergruß zu leisten. Er ist davon überzeugt: "Wir können nicht alle mit unseren Überlebens-Kompromissen Hitler in seiner unrechten Gewaltherrschaft bestärken. Wenigstens einige müssen ihm mit letzter Entschiedenheit widerstehen." Damit gerät Schneider immer wieder in Konflikt mit den nationalsozialistischen Machthabern. Er wird mehrmals verhaftet, misshandelt und schließlich im November 1937 ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Dort wird er zum „Prediger der Häftlinge“.
In dem Buch „Christus im Konzentrationslager“, das der österreichische katholische Priester Leonhard Steinwender 1946 veröffentlichte, heißt es über Schneider: "An Festtagen, in der Stille der Zählung, ertönte plötzlich aus den tristen Gittern des Bunkers die kräftige Stimme von Pfarrer Schneider. Er hielt seine Predigt wie ein Prophet, oder besser: Er versuchte, sie zu beginnen. Am Ostersonntag zum Beispiel hörten wir plötzlich die kraftvollen Worte: "So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben ...". Er konnte nie mehr als ein paar Sätze sagen. Dann hörten wir die Stockschläge der Wärter auf ihn niederprasseln".
Ein anderer Mitgefangener, Theodor Koester, sagt über Pastor Schneider: "Wir Häftlinge, 20.000 Häftlinge, Juden und Christen, Häftlinge aller Parteien, aller sozialen Schichten, wir haben alle nur eines gespürt: Das war ein Mann, ein Mann aus einem Guss, ein Überzeugter seines Glaubens, ein Mann Gottes. Selbst dem Christentum Fernstehende berichten über ihn: Das war ein Mann, ein Märtyrer des Glaubens. Durch seine Worte und seinen Tod hat er uns, den Ärmsten der Armen, wieder Hoffnung gegeben und Licht in die Finsternis unserer Seelen gebracht.
Der Lagerarzt verabreicht ihm eine Überdosis Strophanthin. Schneider stirbt qualvoll an den Folgen dieser Injektion am 18. Juli 1939. Kurz zuvor vertraut er einem Mitgefangen an: "Es gibt keine Stelle an meinem ganzen Körper, die nicht geschlagen wurde, bis sie schwarz geworden ist. Sie haben mir Spritzen gegeben; seit sie mir die zweite gegeben haben, ist mein Herz furchtbar unruhig. Ich werde nicht mehr lange leben. Bevor wir uns trennen, möchte ich dich segnen und für dich beten, dass du den richtigen Weg gehst".
Seine Beerdigung in Dickenschied wird zu einer bewegenden Zeremonie der Bekennenden Kirche, bei der Pfarrer Johannes Schlingensiepen Schneider als einen mutigen Theologen würdigte, der bis zum Ende seinen Glauben an Gott nicht aufgegeben hat.
Dietrich Bonhoeffer betrachtet Paul Schneider als den ersten Märtyrer der Bekennenden Kirche, nachdem er von dessen Tod in Buchenwald erfahren hatte, während er sich in London bei seiner emigrierten Schwester Sabine Leibholz befand. Sieben Tage nach Schneiders Tod veröffentlichte der anglikanische Bischof George Kennedy Allen Bell einen Bericht in der Times über die Ermordung Schneiders in Buchenwald und bezeichnete ihn als deutschen Märtyrer.
Papst Johannes Paul II würdigt ihn am 7. Mai 2000 anlässlich eines besonderen Gedenkens für die 'Neuen Märtyrer des 20. Jahrhunderts im römischen Kolosseum gehalten.
Am 22. April 2017 feiert Papst Franziskus einen Gottesdienst in San Bartolomeo auf der Tiberinsel, bei dem Angehörige von Märtyrern des 20. Jahrhunderts, darunter Karl Adolf Schneider und seine Tochter Friederike Schneider, anwesend sind und dem Papst über das Glaubenszeugnis von Karl Adolfs Vater berichteten. Der Papst zündet während des Gottesdienstes eine Kerze an, die Friederike Schneider zum Gedenkplatz für ihren Großvater bringt.