Der frühere Wiener Domdekan Karl Rühringer würdigt die Sudetendeutschen: Ihr bewusster Verzicht auf Rache war entscheidend für den Frieden in Europa. Er fordert mehr politische Anerkennung und kirchliches Engagement für Versöhnung.
Der frühere Wiener Domdekan Karl Rühringer würdigte anlässlich des 80. Jahrestags des „Brünner Todesmarschs“ die friedensstiftende Rolle der vertriebenen Sudetendeutschen. Er betonte, dass ihr Verzicht auf Rache maßgeblich zur europäischen Verständigung beigetragen hat.
Rühringer, 1945 selbst aus Südmähren vertrieben, hob die „Charta der Heimatvertriebenen“ von 1950 hervor, die einen klaren Friedensweg vorgab: „Kein Revanchismus, kein Vergeltungswille.“ Diese Haltung förderte Versöhnung und Brückenbau zwischen Völkern.
Seine eigene Flucht prägte ihn tief, obwohl er in Niederösterreich eine neue Heimat fand. Als Priester setzte sich Rühringer früh für die grenzüberschreitende Gedenk- und Versöhnungsarbeit ein, pflegte Kontakte zur alten Heimat und unterstützte die Übersetzung von Erinnerungsberichten. Er betonte: „Erinnerung ist mehr als Rückblick – sie ist Voraussetzung für ein friedliches Europa.“
Rühringer kritisierte das jahrzehntelange Verschweigen des Unrechts an den Vertriebenen und forderte ein klares Bekenntnis – in Österreich und der EU: „Ein schlichtes ‚Es war Unrecht‘ würde reichen. Es geht nicht um Rückforderungen, sondern um Anerkennung und Würde.“
Auch die Kirche sieht er in der Pflicht, Erinnerung und Mitgefühl wachzuhalten und das Schicksal der Vertriebenen, die oft Träger des kirchlichen Lebens waren, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Angesichts heutiger Krisen wie in Gaza oder der Ukraine bleibe das Thema hochaktuell. Rühringer schloss: „Wer Vertreibung und Flucht selbst erlebt hat, versteht, was es bedeutet, alles zu verlieren.“ Die Geschichte der Sudetendeutschen zeige, dass tiefes Leid durch Geduld, Gespräch und gegenseitiges Zuhören in Versöhnung gewandelt werden könne – ein oft übersehener, aber unverzichtbarer Beitrag zu einem versöhnten Europa.