Gerda Schaffelhofer: "Lassen wir uns nicht einlullen, stehen wir zu unseren christlichen Werten und seien wir zum Widerspruch bereit, wenn diese in Gefahr sind."
Gerda Schaffelhofer: "Lassen wir uns nicht einlullen, stehen wir zu unseren christlichen Werten und seien wir zum Widerspruch bereit, wenn diese in Gefahr sind."
Warum Mut, Zivilcourage und engagierte Katholiken gerade in diesen Zeiten unbedingt nötig sind. Ein Kommentar von Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich.
"Mutprobe" nannten mein Vater und seine Freunde dieses Spiel. Sie kletterten aus dem Fenster, hielten sich am Fensterbrett fest, ließen ihre Füße an der Außenmauer in die Tiefe baumeln und zogen sich wieder hoch. Begonnen wurde im Erdgeschoß, aber das war bald zu wenig Nervenkitzel. Also wanderten die Buben zuerst in den ersten, dann in den zweiten Stock. Meine Großmutter wurde zufällig Zeugin dieses Schauspiels, als der Wettkampf gerade im dritten Stock tobte. Verständlich, dass sie dieser "Mutprobe" umgehend ein Ende setzte.
Mit Mut hatte das Ganze natürlich gar nichts zu tun, höchstens mit Dummheit. Diese Verwechslung ist aber auch heute noch weit verbreitet, wenn sich beispielsweise Menschen alkoholisiert hinters Steuer setzen, im letzten Moment noch ein riskantes Überholmanöver starten oder in einem Affentempo die Schipiste hinunterfegen, sich selbst und andere gefährdend. Sie wollen es wissen und fordern das Schicksal heraus. Wie gesagt, mutig sind sie nicht.
Es gibt sie aber doch, die wirklich mutigen Menschen. Sie arbeiten als Ärzte und Krankenschwestern in Kriegs- und Krisengebieten, sie kämpfen in den entlegensten Winkeln unserer Erde um den Erhalt der Umwelt, sie versuchen gegen Korruption und Ausbeutung anzukämpfen und der Mafia trotz aller persönlicher Bedrohung das Handwerk zu legen. Für gewöhnlich hört man gar nicht viel von ihnen, ihre täglichen "Heldentaten" erreichen selten und nur in spektakulären Fällen die Medien.
Jedoch sind nur die wenigsten von uns zu solch besonderen Aufgaben berufen. Unser Alltag spielt sich gewöhnlich in ruhigeren Bahnen ab. Und doch sind auch von uns Mut und Zivilcourage gefordert. In einer Runde von EU-Gegnern nicht klein beizugeben, sondern eine gegenteilige Meinung zu vertreten, kann uns schon herausfordern. Am Stammtisch für Migranten einzutreten, während alle Freunde eine "Österreich den Österreichern"-Parole ausgeben, kann schon sehr mutig sein. Denn den anderen von Angesicht zu Angesicht zu widerstehen und nicht einzuknicken, ist kein Kinderspiel. Und in Zeiten der allgemeinen Vernetzung weiß man, dass kaum etwas, das man von sich gibt, einer größeren Öffentlichkeit verborgen bleibt.
Kein Wunder also, dass viele in taktische Spielchen flüchten und diplomatische Verrenkungen zum Alltag gehören. Die hohe Schule der Diplomatie wird gelobt; leider verwechseln manche damit die Anbiederung. Für uns Christen sollte gelten, was in Mt 5,37 steht: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein." Dass man damit nicht zum Liebling aller werden kann, ist klar. Aber das sollte auch nicht unser vorrangiges Ziel sein. Was wir hingegen wirklich anstreben sollten, ist Glaubwürdigkeit. Und glaubwürdig ist nur der, der sagt, was er denkt, der zum Ausdruck bringt, wovon er überzeugt ist. Ob es genehm ist für seine Zuhörer ist oder nicht. Jesus war kein Diplomat, die Apostel waren es ebenso wenig und Papst Franziskus ist es schon ganz und gar nicht. Schonungslos nennt er die Dinge beim Namen, seine Direktheit tut manchmal schon weh. Er ist nicht NLP-geschult, war nicht an der diplomatischen Akademie, braucht keine taktischen Spielchen. Er weiß sich einzig und allein der Wahrheit verpflichtet und begeistert damit Millionen von Menschen, Katholiken wie Nichtkatholiken.
Vielleicht sollten wir uns von ihm ein bisschen anstecken lassen. Es könnte nützlich sein, denn es wird Zeit, dass wir unsere katholischen Mäuselöcher verlassen und uns den neuen politischen Herausforderungen stellen. Wir erleben derzeit, dass man versucht, uns einen antiquierten Nationalismus gepaart mit Fremdenfeindlichkeit und gewürzt mit einer gehörigen Portion Islamophobie schmackhaft zu machen. Lassen wir uns nicht einlullen, stehen wir zu unseren christlichen Werten und seien wir zum Widerspruch bereit, wenn diese in Gefahr sind. Ein bisschen Mut werden wir dazu schon brauchen.