Kardinal Christoph Schönborn spricht im Interview mit dem SONNTAG über seine Erinnerungen, Gedanken und Wünsche zu Weihnachten.
Kardinal Christoph Schönborn spricht im Interview mit dem SONNTAG über seine Erinnerungen, Gedanken und Wünsche zu Weihnachten.
Weihnachten, das Fest der Liebe und der Freude. Welche Gedanken und Erinnerungen vebindet unser Kardinal Christoph Schönborn mit Weihnachten? Wie feiert er selbst am Heiligen Abend? Und: Was ist seine Botschaft für uns?
Ein bewegtes, intensives Jahr geht zu Ende, Weihnachten steht vor der Tür. Auch bei Kardinal Christoph Schönborn laufen die letzten Vorbereitungen auf das Fest, in seinem Büro brennt die vierte Kerze seines Adventkranzes. Die letzten Tage vor dem Heiligen Abend sind für ihn ein Zeitpunkt, um innezuhalten, sich vorzubereiten. Und es werden auch Erinnerungen wach, wie uns der Kardinal im Interview erzählt:
Kardinal Christoph Schönborn: „Natürlich Kindererinnerungen, die gehören zu Weihnachten dazu. Bei mir sind es bescheidene, aber schöne Erinnerungen an die Nachkriegszeit. Weißenbach am Attersee, wo wir als Flüchtlinge untergebracht waren, bei einer Familie. Das ist das erste Weihnachten, an das ich mich bewusst erinnern kann. Da war ich vier Jahre alt. Aber natürlich hat Weihnachten für mich im Lauf der Jahre eine ganz andere Bedeutung bekommen als nur die Frage des Christbaumes und der Weihnachtsgeschenke. Die waren übrigens Ende der 40er-Jahre noch sehr bescheiden. Ich kann mich erinnern, dass ich damals einen Holzbauernhof bekommen habe. Das ist das erste Weihnachtsgeschenk, an das ich mich erinnern kann.
Inzwischen ist für mich der Heilige Abend mit einem ganz bestimmten Ritus verbunden. Zuerst ist da die Weihnachtsvesper im Stephansdom, die immer sehr gut besucht ist. Dann findet die Bescherung hier im Haus statt, zu der ich immer einige einsame Leute einlade, von denen ich weiß, dass sie niemanden haben und alleine zuhause sitzen würden, wenn sie nicht eingeladen würden. Und dann – das ist schon seit 20 Jahren Tradition – feiere ich mit der Caritas-Gemeinde die Mette. Das ist eine Gemeinde, die vor allem aus den Obdachlosen-Häusern gebildet wird. Diese Mette ist für mich jedes Jahr ein Höhepunkt.
Dahinter steht natürlich für mich das eigentliche Geheimnis von Weihnachten: dass Gott ein armes Kind geworden ist. Man kann ja nicht genug meditieren, was das für einen selber heißt, für die Kirche, für die Menschen. Gott hat sich nicht gescheut, in äußerster Armut ein Menschenkind zu werden.“
Warum ist es Ihnen wichtig, mit Obdachlosen Weihnachten zu verbringen?
Kardinal Christoph Schönborn: Was mich immer ganz besonders tief berührt, ist, wenn während der Weihnachtsmette im Kreise der Caritas-Gemeinde der Verstorbenen des vergangenen Jahres gedacht wird. Es gibt zwei Dinge, die mich besonders beeindrucken. Das ist die hohe Zahl an Menschen, die jedes Jahr stirbt, einfach aus Folge der Armut und des Lebens, das sie zum Teil auf der Straße verbracht haben.
Aber was mich noch mehr beeindruckt: Jeder und jede hat einen Namen, ist ein Gesicht, ist eine Person, jemand, der in der Caritas-Gemeinde einen Platz gehabt hat und hat. Das ist für mich eigentlich immer der schönste Moment in dieser Mette, weil es zeigt, dass Gott, der selber ein armes Kind geworden ist, keinen – und besonders keinen Armen – vergisst. Jeder hat einen Namen, eine Geschichte, und jeder ist unverwechselbar.
Weihnachten ist eine Zeit, in der Gott da ist. Wo hat Gott für Sie im heurigen Jahr gewirkt, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Kardinal Christoph Schönborn: Ein Ereignis ist für mich unvergesslich. Während meiner Reise in den Irak waren wir in einem Flüchtlingslager. Dort gab es Häuser, die von Hilfsorganisationen angemietet worden sind, um christliche Flüchtlinge unterzubringen. In einem Einfamilienhaus waren jeweils vier Familien untergebracht. Sehr bescheiden, auf engstem Raum.
Wir waren schon am Wegfahren, als eine Mutter rief: „Helfen Sie uns.“ Und wir sind noch einmal stehengeblieben, ausgestiegen und zu einem der Häuser hingegangen. Da waren der kleine George und seine Mutter. Die Mutter erzählte, dass der Bub eine Krankheit habe und dass er nicht überleben werde, wenn er nicht operiert wird. Und da kam uns ganz stark der Wunsch ins Herz, dass wir schauen müssen, ob wir dem Buben helfen können. Und dann haben sich wunderbare Helfer und Spender gefunden, sodass die Finanzierung einer lebensrettenden Operation in Österreich möglich war. Und schließlich konnte der kleine George operiert und gerettet werden.
Viele Menschen möchten am Heiligen Abend zu Hause beten, aber wissen gar nicht, wie das geht. Wie findet man in dieses Gebet hinein?
Kardinal Christoph Schönborn: Das ist eine gute Frage. Es stimmt, dass sehr viele Menschen hilflos sind und keine Ausdrucksformen haben. Darum freue ich mich immer, wenn breitflächig kleine Gebetshilfen angeboten werden:
Broschüren mit dem Weihnachtsevangelium, ein paar Liedern und ein paar Gebeten.
Wir geben ja im SONNTAG immer Hilfen für die Feier des Heiligen Abends. Auch im Internet kann man sich Anregungen holen.
Die Schwelle zu überschreiten und sich zu trauen, selber ein Gebet zu sprechen, das braucht viel Ermutigung. Ich kann nur sagen: Trauts euch!
Was sind Ihre Tipps, wenn man das erste Mal beten möchte?
Kardinal Christoph Schönborn: Auf jeden Fall sollte man das Weihnachtsevangelium lesen, weil es das Herzstück der Weihnachtsfeier ist. Und ich denke doch, dass viele wenigstens das eine oder andere Weihnachtslied kennen. Auch wenn man ein bisschen krächzt und es nicht gerade ein Engelsgesang ist, ist es doch etwas sehr Schönes, miteinander zu singen. Und schließlich gibt es die ganz einfache Form des Gebets – das Rosenkranz–Gebet. Ich empfehle das dritte Gesetzlein vom freudenreichen Rosenkranz zu beten: Ein „Vater unser“, zehn „Gegrüßet seist du, Maria“. Es hilft, wenn man eine fixe Form hat, um das persönliche Gebet ebenfalls in diese Form hineinzubringen.
Viele Leute fürchten sich vor Weihnachten, weil die Familie nicht mehr komplett ist. Jemand ist gestorben, die Ehe ist auseinandergegangen oder die Kinder feiern nicht mehr mit. Haben Sie für Menschen, denen vielleicht ein wehmütiges Weihnachten bevorsteht, eine Botschaft?
Kardinal Christoph Schönborn: Das verstehe ich sehr gut. Die Angst vor Weihnachten: Familien-Konflikte, die jetzt besonders schmerzlich spürbar sind, Verlassenheit, Trauerfälle, Sterbefälle. Ich kann da eigentlich nur eines empfehlen: Genau für diese Menschen und für diese Situation ist Gott Mensch geworden. Er ist ja bewusst nicht im römischen Kaiserpalast oder bei der reichsten Familie von Galiläa auf die Welt gekommen, wo alles Wonne und Honigkuchen war, sondern er ist in einer armen Familie Mensch geworden. Das war ja genau der Sinn, warum Gott ihn geschickt hat. Deswegen müssten wir eigentlich sagen:
Die, die sich mit Weihnachten schwer tun, sind Gottes besondere Lieblinge. Denen wendet er sich ganz besonders zu. Und das will ja auch das Weihnachtsevangelium sagen.
Was ist Ihre Botschaft am Ende des Jahres, anlässlich Weihnachten?
Kardinal Christoph Schönborn: Glaube, Hoffnung, Liebe! Glauben, dass Gott in unserem Leben da ist. Glauben heißt: Vertrauen und Hoffen.
Es werden die Zeiten für viele Menschen nicht leichter, deshalb müssen wir aber nicht die Hoffnung verlieren. Denn überall geht es um die Liebe. Es liegt an uns, wie das Klima in unserem Land ist. Ob ich Liebe, Zuwendung und Zeit schenke – oder ob ich mich verweigere.
Ich wünsche mir, dass Glaube, Hoffnung und Liebe in unserem Land wachsen.
Weihnachtsgottesdienste in Wien und im Osten Niederösterreichs