Religiosität stellt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund weder ein Integrationshemnis dar, noch führt sie automatisch zu Intoleranz.
Religiosität stellt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund weder ein Integrationshemnis dar, noch führt sie automatisch zu Intoleranz.
87 Prozent der befragten Jugendlichen demokratisch und tolerant. Religiosität scheint toleranzfördernd zu sein.
Religiosität stellt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund weder ein Integrationshemnis dar, noch führt sie automatisch zu Intoleranz. Zu diesem Ergebnis kam die Studie "Integrationsthema Toleranz" der Universität Wien und der L&R Sozialforschung, die am Freitag, 7. Dezember 2018 in Wien vorgestellt wurde.
Auffallend sei, dass die Zustimmung zu europäischen Werten unter den Befragten sehr hoch ausfällt, teilten die Wissenschaftler mit. So seien 87 Prozent der insgesamt 1.059 befragten Jugendlichen demokratisch gesinnt und tolerant; nur fünf Prozent zeigten "fundamentalistische Tendenzen", die sich durch antimoderne Einstellungen und einem fanatischen Festhalten an religiösen Regeln äußere.
35 Prozent der Jugendlichen seien religiös und würden sich stark mit Österreich identifizieren, so der Soziologe Zoltan Peter von der Universität Wien gegenüber der Austria Presse Agentur. Laut Studien-Coautor Peter zeigt nur eine Minderheit der Befragten eine "sehr ausgeprägte" Religiosität. Bei vertiefenden Interviews mit insgesamt 71 Jugendlichen treffe das auf vier Jugendliche zu. Laut Peter zeige das, dass Religion für diese vier Jugendlichen die wichtigste Verbindung zu Welt ist. Weltliche Normen und Werte könnten von ihnen viel schwerer akzeptiert werden als von den übrigen Befragten.
Im Allgemeinen scheine Religiosität toleranzfördernd zu sein, so die Einschätzung der Forscher. Denn Religiosität würde "insbesondere das Zusammenleben bzw. die Koexistenz unterschiedlicher Kulturen" positiv bewerten und "jedem das Recht auf politische Teilhabe sowie nach seinen eigenen kulturellen Vorstellungen zu leben" einräumen.
Die Forscher der Studie "Integrationsthema Toleranz" machten zugleich darauf aufmerksam, dass die Zustimmung zu europäischen Werten unter den Befragten sehr hoch sei. Vor allem liberale Werte wie die persönliche Freiheit, keine Benachteiligung aufgrund von Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung sowie gleiche Rechte für Frauen und Männer würden von der überwiegenden Mehrheit der Befragten geteilt.
Für die Forscher war zu beobachten, dass "auch dem Recht, sich die Religion selbst auszusuchen, stark zugestimmt wird, dem Recht, an keine Religion zu glauben, demgegenüber bereits deutlich seltener". So werde Religionsfreiheit zwar toleriert, keiner Religion anzugehören allerdings weniger.
Trotz der liberalen Werte herrschten bei den befragten Jugendlichen konservative Rollenbilder vor: Rund ein Zehntel der Befragten sehe den Vater als das Oberhaupt der Familie an, welchem 'das Sagen' zukommt; und rund 16 Prozent schreiben der Frau vorrangig die Erledigung des Haushalts zu und weniger, sich um ihren eigenen beruflichen Erfolg zu kümmern.
Die Studie attestiert den Jugendlichen auch bei Aussagen über Sexualität eher konservativ zu sein. So ekle es laut eigenen Angaben zwölf Prozent, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen, acht Prozent finden es anstößig, wenn nicht verheiratete Menschen sexuelle Beziehungen haben.
Laut Studie zeigen vergleichsweise viele Jugendliche ausländerfeindliche oder antisemitische Tendenzen: Rund 20 Prozent finden, dass zu viele Ausländer in Österreich leben und rund 23 Prozent stimmen der Aussage "Ich finde, dass Juden weltweit zu viel Einfluss (Macht) haben" sehr zu.
Das in der Studie entwickelte Toleranzmodell zeige, dass Jugendliche mit vergleichsweise vielen Vorurteilen nicht automatisch weniger tolerant seien, so die Forscher. Überdurchschnittlich hohe Toleranzwerte hätten aber bei der Studie vor allem jene, die seit mehr als fünf Jahren in Österreich leben. Vergleichsweise wenig tolerant zeigten sich Befragte aus Afghanistan und dem Iran.
An der von 2017 bis 2018 laufenden Studie nahmen 1.059 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren teil, mit 71 wurden vertiefende Interviews geführt. Im Fokus der Studie standen vor allem asyl- und subsidiär schutzberechtigte Jugendliche zwischen 15 bis 25 Jahren, die aus Drittländern stammen und ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben. Ebenso wurden Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund befragt, die schon längere Zeit in Österreich leben.
Ziel des Projektes sei es, das Ausmaß der Wertvorstellungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erforschen, so die Wissenschaftler. Aufbauend auf den Ergebnissen wolle man Denkanstöße und Vorschläge für wirksame Integrationsmaßnahmen ableiten. Detaillierte Ergebnisse der Studie sollen im April veröffentlicht werden.