Bei Trauer geht es um eine Solidarität nach rückwärts mit den Toten und Besiegten.
Bei Trauer geht es um eine Solidarität nach rückwärts mit den Toten und Besiegten.
Linzer Bischof kritisiert in Gottesdienst zunehmende "Berührungstabus gegenüber allem, was nach Schmerz, Leid, Trauer, Krankheit, Alter und Tod riecht".
Erinnern und Gedenken sind "zutiefst christlich" und zeichnen jede humane Kultur aus. Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Montag in seiner Allerseelen-Predigt unterstrichen. "Getragen von der Suche nach Wahrheit", reinige Gedenken das Gedächtnis, nehme das Leid der Opfer in Blick, mache dankbar für das bleibend Gute und ermögliche so Gerechtigkeit, Versöhnung und ein Lernen aus der Geschichte. Bei der Erinnerungsform der Trauer gehe es um die Empfänglichkeit für die vergangenen Leiden - "also um eine Solidarität nach rückwärts mit den Toten und Besiegten", wie Scheuer sagte.
In den zwischenmenschlichen Bereichen merkt man nach den Worten des Bischofs zunehmende Teilnahmslosigkeit, Interesselosigkeit und "Berührungstabus gegenüber allem, was nach Schmerz, Leid, Trauer, Krankheit, Alter und Tod riecht". Gefühlsstimulierungen würden rein in den Konsumbereich verlagert, kritisierte Scheuer: "Für Tränen, die geweint werden müssten, gibt es Tabletten." Eine solche Entwicklung führe zur Reduktion des Menschen auf seine Bedürfnisse und Funktionen.
Bischof Scheuer äußerte sich auch über den Sinn eines Friedhofs, der in erster Linie in der würdevollen Erinnerungspflege liege. Friedhof sei ein Ort, der den Namen eines verstorbenen Menschen für die Lebenden in Erinnerung hält und somit ein Hinweis darauf, dass jeder Mensch einzigartig auf der Welt, nicht wiederholbar oder ersetzbar sei, keiner "eine Nummer oder ein Serienprodukt". Nach christlichem Verständnis habe jeder Mensch eine einzigartige Würde und einen unendlichen Wert, betonte Scheuer.
Der Friedhof erinnere aber nicht nur an die Toten. Sein Sinn liege auch darin, dass er daran erinnert: "Du selbst bist sterblich." Das halte vor Augen, dass im Leben noch ganz andere Dinge zählen als Erfolg oder Geld. Er selbst merke in manchen Bereichen wie beim Bergsteigen, bei der Arbeit oder im Gedächtnis, "dass ich nicht jünger werde", bekannte Scheuer. Das zu akzeptieren, sei manchmal schmerzlich. Er sehe es aber auch als spirituelle Übung, Entscheidungen und Lebenseinstellung im Angesicht des Todes zu treffen. "Das Sterben gehört zum Leben dazu", erklärte der Bischof. "Wenn wir es aus dem Leben vertreiben wollen, nimmt das Leben selbst Schaden."