Der Hl. Stuhl hat eine apostolische Visitation des Stiftes Heiligenkreuz angekündigt. Prior Chavanne: „Wir sind dankbar für die Unterstützung und Hilfe, wo wir dies brauchen können, zumal uns als großes Haus bewusst ist, dass wir viel Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit erfahren.“
Das Zisterzienserstift Heiligenkreuz im Wienerwald wird einer Apostolischen Visitation durch den Vatikan unterzogen. Wie das Kloster am 17. Juni 2025 bekannt gab, informierte das vatikanische Dikasterium für das geweihte Leben Abt Maximilian Heim in einem Schreiben vom 5. Juni über die bevorstehende Überprüfung. Auch Prior P. Johannes Paul Chavanne bestätigte die Meldung.
Die Visitation wird vom Abtprimas der Benediktiner Jeremias Schröder und der österreichischen Ordensfrau Sr. Christine Rod von den Missionarinnen Christi geleitet. Ziel ist es, sich ein „genaues Bild über die Situation des monastischen Lebens und von der Leitung der Abtei“ zu verschaffen. Besondere Schwerpunkte liegen auf dem Leitungsstil der Abtei und des Abtes, dem Umgang mit Missbrauchsvorwürfen und schwerwiegenden Verfehlungen, sowie der Berufungsunterscheidung und der Ausbildung innerhalb der Gemeinschaft.
Der Vatikan betont, dass diese außergewöhnliche Maßnahme als „Ausdruck wohlwollender Unterstützung“ zu verstehen sei, um „die nachhaltige Entwicklung dieses blühenden Stiftes zu fördern und es vor möglichen inneren wie äußeren Gefährdungen zu bewahren.“ Die Visitatoren sollen dem Ordensdikasterium die Ergebnisse vorlegen, um das Stift anschließend bei einem „eigenen inneren Erneuerungsweg“ zu unterstützen.
Das Dekret wurde vom Pro-Präfekten Kardinal Ángel Fernández Artime und dem Untersekretär Aitor Jiménez Echave unterzeichnet, da ein Abt kirchenrechtlich einem Bischof gleichgestellt ist und Anweisungen von einem mindestens gleichrangigen Kleriker entgegennimmt. Während sowohl Abtprimas Schröder als auch Sr. Rod noch keine offiziellen Ernennungsdekrete erhalten haben, blickt die Kommunität von Heiligenkreuz der Visitation „mit Zuversicht entgegen“ und sieht darin eine Chance zur „Erneuerung und zum Wachstum“.
Der Jesuit P. Andreas Batlogg betonte im Ö1-Morgenjournal, dass im Hinblick auf die angekündigte Apostolische Visitation des Stiftes Heiligenkreuz Transparenz und Aufklärung von größter Bedeutung seien. Er erklärte, dass eine solche Visitation seitens des Vatikans nur bei gravierenden Hinweisen auf Missstände angeordnet werde. Ohne sich an Spekulationen beteiligen zu wollen, hob Batlogg hervor, es sei die Aufgabe der eingesetzten Visitatoren, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Trotz der zweifellos unangenehmen Situation für das Zisterzienserstift im Wienerwald äußerte er volles Vertrauen in die Professionalität der beiden Visitatoren – Benediktiner-Abtprimas Jeremias Schröder und Ordensfrau Sr. Christine Rod – sowie in die professionelle Arbeitsweise der vatikanischen Dikasterien.
Auch für den Religionsrechtsexperten Andreas Kowatsch von der Universität Wien ist eine derartige vatikanische Maßnahme in einem Stift keineswegs alltäglich. Er erläutert, dass eine Visitation generell dazu dient, dass eine übergeordnete Stelle die Aktivitäten und das Leben einer untergeordneten Einheit überprüft, was im kirchlichen Alltag, etwa bei bischöflichen Diözesanbesuchen, üblich sei. Eine Apostolische Visitation ist jedoch anders gelagert. Sie wird angeordnet, wenn eine Situation genauer beleuchtet werden soll, oft aufgrund von Gerüchten oder Anzeigen über missbräuchliches Verhalten, um sich ein fundiertes Urteil bilden zu können. Dem durchgesickerten Dekret zufolge stehen insbesondere zwei Fragen im Fokus: die Aufnahme neuer Mönche und die Gewährleistung eines offenen Aufnahmeklimas sowie der Umgang mit Konflikten, inklusive der Einhaltung kirchlicher Meldepflichten bei möglichem Machtmissbrauch oder anderen Missständen.
Kowatsch weist darauf hin, dass die Autorität eines Abtes in einem Zisterzienserkloster weitreichend ist und Mönche einen tiefgehenden Gehorsam versprechen. Bei Spannungen gäbe es rechtliche Mechanismen für den Konfliktfall. Die lebenslange Entscheidung für ein Priester- oder Mönchsleben erfordere eine sorgfältige Prüfung der Motive. Theoretisch könnte eine Apostolische Visitation auch ohne konkreten Anlass erfolgen oder sogar positive Aspekte untersuchen, wie beispielsweise erfolgreiche Praktiken, die auf andere Kontexte übertragbar wären.
Das 1133 gegründete Stift Heiligenkreuz ist eines der ältesten durchgehend bestehenden Zisterzienserklöster weltweit und bekannt für seine lebendige Tradition, den gregorianischen Choral und seine theologische Hochschule päpstlichen Rechts. Mit rund 100 Mönchen erlebt das Stift einen historischen Höchststand und betreut 21 Pfarren sowie mehrere Priorate.
Eine Apostolische Visitation eines Klosters ist eine besondere Überprüfung durch Beauftragte des Papstes (daher "apostolisch"). Ziel einer solchen Maßnahme ist, sich ein detailliertes Bild von der Lage im Kloster zu verschaffen. Das kann nötig werden, wenn es Hinweise auf Unstimmigkeiten gibt. Sie kann aber auch schlicht dazu dienen, ein gut funktionierendes Kloster zu unterstützen oder sicherzustellen, dass die kirchlichen Regeln eingehalten werden. Die letzte derartige Visitation betraf vor wenigen Jahren das Augustiner Chorherrenstift Klosterneuburg.
Der Papst beauftragt über das Dikasterium für das geweihte Leben einen oder mehrere Personen als sogenannte Apostolischen Visitatoren. Diese besuchen das Kloster, sprechen ausführlich mit den Mönchen, prüfen Unterlagen und sammeln alle wichtigen Informationen. Die Klostergemeinschaft ist verpflichtet, dabei mitzuarbeiten. Nach dem Besuch erstellen die Visitatoren einen Bericht für den Papst. Basierend auf diesem Bericht entscheidet Rom dann über eventuell notwendige Änderungen oder Maßnahmen, um die Situation im Kloster zu verbessern. Kurz: es handelt sich um eien außergewöhnliche Maßnahme des Hl. Stuhls, die aus wichtigen Gründen eingesetzt wird, um die Ordnung und das Wohl der Klostergemeinschaft wiederherzustellen oder zu sichern.