Christen müssen ihr politisches Handeln nach den Worten der Theologin Regina Polak stets an den Prinzipien Menschenwürde, Gerechtigkeit und Gemeinwohl ausrichten.
Christen müssen ihr politisches Handeln nach den Worten der Theologin Regina Polak stets an den Prinzipien Menschenwürde, Gerechtigkeit und Gemeinwohl ausrichten.
"Kulturchristentum" mit Katholizismus nicht vereinbar.
Christen müssen ihr politisches Handeln nach den Worten der Theologin Regina Polak stets an den Prinzipien Menschenwürde, Gerechtigkeit und Gemeinwohl ausrichten. Rassismus könne nie eine Option sein, erklärte die an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien lehrende Theologin in einem Gespräch, dessen Videoaufzeichnung die Katholische Frauenbewegung (Kfbö) am Mittwoch, 9. November 2016 als Auftakt der Gesprächsreihe "angefragt" veröffentlicht hat. Wer glaube, ohne sich an Menschenwürde und Gerechtigkeit zu halten, betreibe laut Polak "letztlich Götzendienst".
Österreichs Präsidentschafts-Wahlkampf habe "massive Gräben" aufgerissen hinsichtlich den "Schlussfolgerungen, die aus dem Glauben für das politische Handeln zu ziehen sind", beobachtet Polak. Deutlich sichtbar geworden sei ein "Kulturchristentum", das mit Grundvorstellungen, die die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) geäußert habe, nicht vereinbar sei. So sei sie prinzipiell "skeptisch, wenn Politiker sich auf Gott berufen, egal, ob sie nun von links oder rechts sind". Die Betreffenden seien letztlich an ihren Taten zu messen, "daran, ob Gerechtigkeit in der Gesellschaft, insbesondere gegenüber den marginalisierten Gruppen, größer wird". Aufschluss über die Wirksamkeit von Gerechtigkeit gebe die Lebensqualität von Menschen am Rand der Gesellschaft, darunter auch Asylwerber, Migranten und Menschen in prekären Lebenssituationen.
Die Kirche sei grundsätzlich nicht politisch, handle jedoch politisch, wenn sie sich um Ausgegrenzte der Gesellschaft bemühe, so Polak. Dass die Kirchenleitung dabei lieber zurückhaltend von "Anwaltschaft" denn von politischem Engagement spreche, sieht Polak als Folge einer langen Nahebeziehung von Politik, Macht und Kirche. Von ebendieser "engen Verquickung mit Autoritarismus" müsse der Glaube befreit werden, wobei dieser Prozess bislang nur langsam vorankomme.
Schon in der Bibel sei der Glaube immer "mit einer ganz konkreten Ethik" verbunden gewesen, betonte die Theologin. Auch das Konzilsdokument "Gaudium et spes" setze hier an und habe eine an Menschenwürde und Gerechtigkeit ausgerichtete politische Praxis gefordert, ohne dabei Handlungsanweisungen oder parteipolitische Empfehlungen zu geben. Zahlreiche Christen würden dies heute umsetzen in der Flüchtlingshilfe, durch den Einsatz von "unglaublich vielen materiellen, geistigen, sozialen und Zeitressourcen". Dieses Engagement werde allerdings "durch die Abschiebepolitik der Regierung auf perfide Art und Weise eigentlich zerstört".
Die Bibel- und Konzilstexte würden zudem auch klare "No-gos links und rechts in buchstäblichem Sinne" liefern, zu denen Polak etwa den Rassismus - ein "auf Sündenböcken beruhendes Ordnungssystem" - zählte. Rassismus sei als Einstellungsmuster in Europa und Österreich weiterhin im kollektiven Gedächtnis, und "fahrlässige Politiker und Politikerinnen können offensichtlich jederzeit darauf zurückgreifen". In vielen autoritären Einstellungen wie etwa im Fremdenhass, der sich auch unter Gläubigen der christlichen Kirchen finde, spiegele sich Geschichte wider, "und zwar die politische Geschichte der Kirchen, die jahrhundertelang aufseiten der jeweiligen Macht waren".