Der traditionelle Stadtumgang am Fronleichnamstag in Wien.
Der traditionelle Stadtumgang am Fronleichnamstag in Wien.
"Stadtumgang" mit Kardinal Schönborn in Wien mit verändertem Ablauf.
Die katholische Kirche feiert am Donnerstag, 15. Juni 2017 das Hochfest Fronleichnam. In Österreich und mehr als einem Dutzend weiteren Ländern - darunter Portugal, Brasilien, Polen, Kroatien und mehrere deutsche Bundesländer - ist das "Hochfest des Leibes und Blutes Christi" ein gesetzlicher Feiertag. Zu den Festprozessionen in den heimischen Pfarren werden nach Schätzungen wieder bis zu zwei Millionen Gläubige erwartet.
Zu Fronleichnam bezeugen Katholiken ihren Glauben an die bleibende Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie. Der Name des Festes leitet sich ab aus dem Mittelhochdeutschen "vrone licham" - Leib des Herrn. In Prozessionen tragen Geistliche Monstranzen mit der als Leib Christi verehrten Hostie durch die Straßen. Das Brauchtum der Fronleichnamsprozessionen stammt aus dem Mittelalter.
Die Umgänge machen bis heute "ausdrücklich die Christusgegenwart sichtbar - und sie sollte sie sichtbar machen an Orten, an denen wir es nicht vermuten", beschreibt der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock die gedankliche Grundlage der Fronleichnamsprozessionen: "Die Prozession stellt ein öffentliches Versprechen dar, in dem die Gehenden sagen, wer sie sind, woran sie sich letztlich ausrichten, und wie sie sich zu den anderen verhalten, was also die anderen von ihnen erwarten können. Die Gegenwart Christi, die sichtbar im Zeichen des Brotes feierlich gezeigt wird, ist weder auf den Tabernakel noch auf die Kirche begrenzt."
In Wien führt Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstag den traditionellen "Stadtumgang" durch die Innenstadt: Um 8.30 Uhr feiert der Wiener Erzbischof das Pontifikalamt im Stephansdom, um 9.30 Uhr beginnt die Prozession. Wegen der Bauarbeiten am Stephansplatz gibt es heuer einen leicht veränderten Ablauf. Die Prozession führt über Kärntnerstraße, Führichgasse, Augustinerstraße, Michaelerplatz, Kohlmarkt und Graben zum Platz vor der Peterskirche. Statt der üblichen drei gibt es nur zwei Altäre. Auf dem Michaelerplatz und vor der Peterskirche wird jeweils eine Andacht mit Predigt und Segen gehalten.
Auch in den anderen Diözesanhauptstädten finden große Fronleichnamsprozessionen statt. Zu den eindrucksvollsten Fronleichnamsprozessionen in Österreich zählen jedes Jahr die Seeprozessionen. Wie in Hallstatt, am Millstätter See, oder der Wasserumgang im oberösterreichischen Aschach an der Donau. Die Seeprozessionen dürften darauf zurückzuführen sein, dass in Orten wie Hallstatt - das zwischen Seeufer und Salzberg gedrängt liegt - für die in der Barockzeit immer üppiger gewordenen Fronleichnamsumzüge kein Platz war und man daher auf den See auswich.
Wie in der ganzen katholischen Welt sind die heimischen Fronleichnamsprozessionen vielfach mit farbenprächtigen populären Bräuchen verbunden. So sind bei vielen Prozessionen Kinder zu sehen, die Blütenblätter auf den Prozessionsweg streuen. In manchen Orten in Kärnten und in der Steiermark legen die Frauen früh am Morgen Blumenteppiche mit mosaikartigen Mustern, Sinnbildern und Sprüchen aus Blüten. Italienische Gärtner brachten im späten 18. Jahrhundert diesen Brauch in die südlichen Bundesländer.
Im Salzburger Pongau wiederum ist es üblich, die sogenannten "Prangstangen" in der Prozession mitzutragen. Die Träger der bis zu 60 Kilo schweren, von den Frauen der Dörfer mit bunten Alm- und Wiesenblumen geschmückten Stangen müssen noch unverheiratete junge Burschen sein. Die "Prangstangen" werden nach der Prozession in den Kirchen aufgestellt und verbleiben dort meist den ganzen Sommer bis zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August. Wie bei anderen kirchlichen Bräuchen hatte die stark deutschnational eingestellte volkskundliche Wissenschaft am Ende des 19. Jahrhunderts versucht, auch den "Prangstangen" einen "heidnischen" Ursprung zu unterlegen.
Das Fronleichnamsfest wird in der katholischen Kirche seit mehr als 750 Jahren gefeiert. Das Fest geht zurück auf Juliana von Lüttich. Die später heiliggesprochene Ordensfrau aus dem Augustiner-Orden hatte schon als junges Mädchen eine Vision, um deren Deutung sie jahrelang ringen musste: Ins Gebet versunken sah sie den Vollmond mit einem dunklen Fleck darauf - ein seltenes Himmelsphänomen, bei dem sich die Venus als schwarzer Fleck vor der Sonne entlang schiebt. Nach Gesprächen mit Theologen deutete Juliana ihre Erscheinung schließlich als Weisung Christi: Der Mond stehe für das Kirchenjahr, der Fleck aber für das Fehlen eines Festes zur Verehrung der heiligen Hostie.
Papst Urban IV. führte Fronleichnam 1264 als allgemeines Kirchenfest ein, 1317 ordnete Papst Johannes XXII. den Donnerstag als Festtag an. Schon in den 1270er-Jahren führte die erste Fronleichnamsprozession, die dem Fest sein außergewöhnliches Gepräge geben sollte, durch die Straßen von Köln. In Wien lud der Habsburger-Herzog Rudolf IV. "der Stifter" 1363 erstmals zur öffentlichen Fronleichnamsprozession durch die Stadt ein.