Nuntius Zurbriggen spricht in seiner Funktion als Doyen des Diplomatischen Corps beim Neujahrsempfang von Bundespräsident Van der Bellen.
Nuntius Zurbriggen spricht in seiner Funktion als Doyen des Diplomatischen Corps beim Neujahrsempfang von Bundespräsident Van der Bellen.
Anlässe: "100 Jahre Republik", "80 Jahre Anschluss" und "70 Jahre Menschenrechtsdeklaration".
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen haben beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps am Mittwoch, 10. Jänner 2018 in der Wiener Hofburg in ihren Ansprachen große Besorgnis über den Koreakonflikt und die unbewältigte Flüchtlingskrise geäußert. Die Spannungen auf der Korea-Halbinsel seien die "gegenwärtig größte sicherheitspolitische Krise", sagte Van der Bellen. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise verlange eine "breit angelegte Strategie" inklusive Kampf gegen Klimawandel und einem Fokus auf Nordafrika, wo in den Flüchtlingslagern "menschenunwürdige Bedingungen" herrschten. An dem Empfang nahm auch die neue Außenministerin Karin Kneissl teil.
Nuntius Zurbriggen, der sich in seiner Eigenschaft als Doyen des Diplomatischen Corps äußerte, ging ebenfalls auf Korea und das Flüchtlingsproblem ein. "Gott sei Dank" habe es gleich zu Beginn des Jahres einen "Lichtblick" gegeben, "nämlich die überraschende Annäherung von Nord- und Südkorea im Blick auf die Feier der Olympischen Winterspiele", sagte Zurbriggen. Für das Jahr 2018 sieht er insgesamt sehr große Herausforderungen zu "Klimawandel und Klimaschutz, Armutsbekämpfung und der durch Migration immer dringlicher werdenden Problemen der Integration".
Erzbischof Zurbriggen und Bundespräsident Van der Bellen widmeten größere Abschnitte ihrer Ansprachen auch den zentralen Gedenk-Anlässen 2018 mit "100 Jahre Republik", 80 Jahre "Anschluss" und "70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte". Das Staatsoberhaupt sagte zum Gedenkjahr 2018, Österreich erinnere an das Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und feiere den 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik, aber "unser Land wird sich auch an den sogenannten 'Anschluss' Österreichs an Hitler-Deutschland erinnern, und daran, dass Österreicherinnen und Österreicher in der Zeit der Nazi-Diktatur sowohl Opfer als auch Täter waren".
Der Nuntius sagte, Österreich werde sich an das "Auf und Ab" seiner Geschichte erinnern, "insbesondere, wie vor 100 Jahren aus der großen Doppelmonarchie die kleine demokratische Republik hervorging". Zurbriggen gratulierte "dem neuen dynamischen Regierungsteam, unter der Führung von Bundeskanzler Sebastian Kurz" und erinnerte auch an deren Verantwortung für die Flüchtlinge. Er wünsche "allen viel Mut, Ausdauer und Kraft, sich gemeinsam für das bonum commune aller Österreicherinnen und Österreicher, und aller Menschen, die hier Schutz und Unterkunft erhalten haben, unermüdlich einzusetzen".
An Außenminsterin Kneissl gerichtet sagte Zurbriggen, "ihre außerordentlichen Kompetenzen, vielfältigen Erfahrungen und Sprachkenntnisse" qualifizierten sie "in höchstem Maße". "Wir freuen uns sehr auf gute bilaterale Kontakte, konstruktive Gespräche und einen intensiven Gedankenaustausch, damit wir unsere diplomatische Mission hier in Wien immer besser und effizienter erfüllen können", so der Kuriendiplomat.
Im Blick auf die Bedeutung der Religion sagte der Nuntius, dass Europa auf drei Säulen ruhe, die durch drei Städtenamen symbolisiert würden: Athen für Demokratie, Rom für Recht und Jerusalem für die drei monotheistischen Weltreligionen. Er hoffe, dass auf dieser Grundlage Europa sich weiterentwickeln werde "als eine Region des Wohlstandes, der Toleranz und des Friedens, wo die wahren Werte der Religions- und Gewissensfreiheit sowie des interreligiösen Dialoges hochgehalten und respektiert werden". Zurbriggen erinnerte, dass dies "mit Dringlichkeit auch das Europäische Parlament fordert".
Van der Bellen ging in seiner Ansprache auf eine Reihe von Konfliktherden ein, darunter - neben Korea - auch die Ukraine, das Heilige Land, Syrien, Iran und Bosnien.
Eine nachhaltige und dauerhafte Lösung des Konflikts in und um die Ukraine könne nur durch den Willen zum Frieden und ernsthafte Anstrengungen aller Seiten erreicht werden. Dazu brauche es "mehr Dialog, um Vertrauen zwischen den Seiten aufzubauen".
Im israelisch-palästinensischen Konflikt lägen die Lösungsvorschläge seit Jahren auf dem Tisch. Was fehle, sei der politische Wille zur Umsetzung, meinte der Bundespräsident. Eine verhandelte Friedenslösung würde einen entscheidenden Beitrag zu Stabilität in der Region leisten. Auch die Frage des Status von Jerusalem könne nur durch Verhandlungen gelöst werden.
Im syrischen Bürgerkrieg fehle weiterhin ein überzeugendes Bekenntnis aller Bürgerkriegsparteien zu einer verhandelten politischen Lösung. Beim aktuellen Iran-Konflikt sei er - so Van der Bellen - davon überzeugt, dass auch hier der Schlüssel zu einer Lösung im Dialog liege. Weiters forderte er eine "umfassende Umsetzung der Wiener Nuklearvereinbarung durch den Iran und alle Vertragsparteien".
Van der Bellen erinnerte auch an die wachsende Bedeutung Afrikas. Das gelte wirtschaftlich auch für österreichische Unternehmen. Österreich werde sich deshalb "an der Ausgestaltung der Partnerschaft zwischen Afrika und Europa - auf Augenhöhe - weiterhin aktiv beteiligen".
Österreich werde 2018 auch seiner humanitären Verantwortung solidarisch nachkommen, hob der Bundespräsident hervor: "Wir müssen unsere Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern weiter stärken. Dabei bleibt die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen vordringlich." Weltweit seien heute mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht, "so viele wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs". Effektive humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Binnenvertriebene vor Ort sei geboten und zentrales Element einer breit angelegten Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: "Österreich hat immer wieder bewiesen, dass es bereit ist, Menschen in Not zu helfen", fügte Van der Bellen hinzu.
Eine wesentliche Fluchtursache sei der Klimawandel. "Wir haben es in der Hand, das Pariser Übereinkommen erfolgreich umzusetzen." Als EU-Präsidentschaft habe Österreich bei der "COP 24" in Polen besondere Verantwortung, das Pariser Arbeitsprogramm zum Abschluss zu bringen, verwies der Bundespräsident auf die nächste UN-Klimakonferenz, die im Dezember im Kattowitz stattfindet.
Van der Bellen erinnerte abschließend an die Rolle Österreichs in der UNO und in der EU. Österreich engagiere sich seit vielen Jahren aktiv für den Schutz der Menschenrechte und die Förderung des interkulturellen Dialogs und werde daher im Herbst für einen Sitz im UNO-Menschenrechtsrat für die Periode 2019-21 kandidieren. Das Motto der Kandidatur laute "Building Bridges for Human Rights".
In der zweiten Jahreshälfte nimmt Österreich zum dritten Mal die EU-Ratspräsidentschaft. Der Vorsitz komme zu einem entscheidenden Zeitpunkt - zum Abschluss der "Brexit"-Verhandlungen und unmittelbar vor den Europaparlamentswahlen im Frühjahr 2019, erinnerte der Bundespräsident: "Vieles von dem, was die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten in den vergangenen 60 Jahren erreicht haben, kann als Erfolg gelten: ein gemeinsamer, grenzübergreifender Raum der Bildung und Kultur, der Forschung und der Lehre, der Wirtschaft und des sozialen Wohlstands, der Bürgerrechte und persönlicher Freiheiten. Ich wünsche mir für 2018, dass wir die bedauerliche Entscheidung des Vereinigten Königreichs als Chance begreifen und eine Europäische Union schaffen, die die Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger verteidigt und schützt, eine Europäische Union, die auch international für Menschenrechte, Demokratie, Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Klimaschutz einsteht. Dazu gehören mutige Entscheidungen und Reformen."