Rassismus und Antisemitismus seien nicht einfach verschwunden, sondern würden auch heute "im Kleinen wie im Großen weiter existieren", so Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Rassismus und Antisemitismus seien nicht einfach verschwunden, sondern würden auch heute "im Kleinen wie im Großen weiter existieren", so Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Auch Spitzenvertreter der Religionsgemeinschaften bei Gedenkakt in der Wiener Hofburg. Bundespräsident Van der Bellen: 1938 war ein sich schon zuvor anbahnendes "Multiorganversagen".
Mit einer Gedenkveranstaltung in der Wiener Hofburg hat das offizielle Österreich an den 80. Jahrestag des "Anschlusses" Österreichs an Nazideutschland am 12. März 1938 erinnert. An dem Staatsakt nahmen am Montag, 12. März 2018, die gesamte Regierung sowie Spitzenvertreter aus Gesellschaft, Wirtschaft und den Religionsgemeinschaften teil. Der Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen folgten u.a. Kultusgemeinde-Präsident Oskar Deutsch, Kardinal Christoph Schönborn, Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, der orthodoxe Metropolit Arsenios, der lutherische Bischof Michael Bünker und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen, Thomas Hennefeld.
Das Jahr 1938 - gekennzeichnet nach dem "Anschluss" auch durch die ihn mit 99,75 Prozent bestätigende Volksabstimmung vom 10. April, den Baubeginn des Konzentrationslagers Mauthausen am 8. August und die Gewaltwelle gegen Juden, Synagogen und Bethäuser vom 9. und 10. November - sei "Kulminationspunkt einer katastrophalen Entwicklung" gewesen, erinnerte Bundespräsident Van der Bellen in seiner Rede. Militarismus, Intoleranz und Gewalt seien schon in den Jahren zuvor "in einem schleichenden Prozess" gekommen; die bestehenden Polarisierungen und Unversöhnlichkeiten sowie Rassismus und Antisemitismus hätten dann zum "Multiorganversagen" geführt.
Österreich trage Mitverantwortung für die Gräuel des Nationalsozialismus, sei "nicht nur Opfer, sondern auch Täter", stellte Van der Bellen klar. Nach den Fehlern und Versäumnissen von einst müsse man heute die Erinnerung an Krieg, Verfolgung und Holocaust in der NS-Zeit wachhalten, zugleich aber auch "klar und unmissverständlich gegen jede menschenverachtende Ideologie" aufstehen und mit scharfen Sinnen und Wachsamkeit "Zeichen an der Wand" erkennen. Rassismus und Antisemitismus seien nicht einfach verschwunden, sondern würden auch heute "im Kleinen wie im Großen weiter existieren". Die Werte der offenen, demokratischen Gesellschaft gelte es nicht nur zu verteidigen, sondern auszubauen und zu stärken, besonders im Selbstverständnis der jungen Generation, forderte das Staatsoberhaupt.
Das Gespräch und die Begegnung mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen bezeichnete Bundeskanzler Sebastian Kurz als besondere Aufgabe der heutigen jungen Generation. "Das Leid, das damals viele Menschen erlitten haben, wird erst im Gespräch mit Überlebenden bewusst." Jeder Mensch trage "Verantwortung nicht nur, für das, was er tut, sondern vor allem auch, was er nicht tut", so der Bundeskanzler mit Blick auf die große Mehrheit der Österreicher, die 1938 nichts gegen den Nationalsozialsozialismus unternommen oder ihn unterstützt haben.
Kurz kündigte auch die Errichtung einer Schoah-Gedenkstätte in der Wiener Innenstadt an. Nachdem bisher bereits am Judenplatz das "Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah" und ein weiteres Mahnmal des Bildhauers Alfred Hrdlicka gegenüber der Albertina an die jüdischen NS-Opfer und an die Grausamkeit von Krieg und Faschismus erinnern, soll künftig eine Gedenkmauer an einem noch nicht bekannten Ort die Namen aller 66.000 vom Nationalsozialismus getöteten Juden tragen. "Den Überlebenden, den Nachkommen der Opfer und uns allen soll damit ein persönlicher Ort des Gedenken geschaffen werden", sagte der Bundeskanzler.
Es sei heute Pflicht, aktiv gegen jede Art von Extremismus, Intoleranz und Nationalsozialismus anzukämpfen, denn "in Österreich darf es dafür keinen Platz geben", betonte Kurz. Eine "historische Verantwortung" bestehe dabei auch gegenüber dem Staat Israel und dem Sicherheitsbedürfnis der dort lebenden Juden. "Nur wenn Juden uneingeschränkt in Sicherheit und Freiheit leben könne, kann aus dem 'Niemals vergessen' auch ein 'Niemals wieder' werden", sagte der Bundeskanzler.