Die Begeisterung über den neuen Bischof ist in Rom allgegenwärtig. Die Hoffnung ist groß, dass was Franziskus begonnen hat mit Leo noch konkreter und greifbarer wird.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo Rom für seine streunenden Straßenkatzen berühmt war. Heutzutage sind Roms Gassen kaum mehr von den Vierbeinern bevölkert, aber eine "Katerstimmung" nach den intensiven und aufwühlenden Wochen der Papstwahl wäre durchaus naheliegend. Jedoch weit gefehlt! Die Stadt pulsiert unaufhaltsam weiter, als hätte es keine Zäsur gegeben. Sportveranstaltungen ziehen die Menschenmassen an, der Verkehr staut sich wie gewohnt an den Wochenenden, und sowohl Römer als auch Touristen genießen die ersten warmen Sonnenstrahlen unter freiem Himmel. Und inmitten dieses scheinbar unaufgeregten Treibens beherrscht ein Name alle Gespräche: Papa Leone.
Die unmittelbare Reaktion im engsten Kreis des neuen Pontifex könnte kaum positiver sein. Kurienbeamte strahlen förmlich, ihre Gesichter spiegeln Glück und tiefe Zufriedenheit über die getroffene Wahl wider. Viele von ihnen kennen Kardinal Prevost und seinen Führungsstil bereits aus Erzählungen oder eigener Erfahrung und hegen große Wertschätzung für ihn. Doch die Welle der Begeisterung schwappt weit über die Mauern des Vatikans hinaus. Kellner, Taxifahrer, Verkäufer – in ihren Augen blitzt Zustimmung auf. Oft mischt sich in ihre Worte noch ein leiser Hauch von Wehmut über das Ende der Ära Franziskus, doch gleichzeitig zeichnet sich schon ab, dass Papst Leo dessen eingeschlagenen Pfad weiter beschreiten wird.
Diese Hoffnung nährt sich aus den ersten Worten des neuen Papstes. Seine Predigt zum Abschluss des Konklaves und seine Rede vor den Kardinälen sind durchwoben von jenen Schlüsselbegriffen, die bereits die zwölf Jahre unter Franziskus prägten: Synodalität, das wandernde Gottesvolk, Communio, die Sensibilität für Armut und die drängenden Herausforderungen einer technologiegetriebenen Welt im Wandel, die tiefe Sehnsucht nach Frieden in einer zerrissenen Welt und das wache Bewusstsein für die Erosion des Glaubens in weiten Teilen der Welt. Es scheint, als würde Papst Leo diese Anliegen mit einem geschliffenen Stil, der die Eleganz von Benedikt XVI. anklingen lässt, aufnehmen und weiterentwickeln. Die begründete Hoffnung nährt die Erwartung, dass er den eingeschlagenen Weg der Erneuerung der Kirche hin zu mehr Gemeinschaft, synodalen Strukturen und einer behutsamen Dezentralisierung konsequent weiterverfolgen wird.
Die Wahl des Namens Leo untermauert der neue Papst mit der Erinnerung an Leo XIII., der bereits am Ende des 19. Jahrhunderts die tiefgreifenden Umwälzungen der Industrialisierung erkannte und mit "Rerum Novarum" das Fundament für die katholische Soziallehre schuf. Papst Leo erkennt in unserer Zeit ähnliche tiefgreifende Umbrüche, angetrieben von der rasanten Entwicklung der Technologie, neuen Kommunikationsmitteln und der künstlichen Intelligenz. Die Tatsache, dass er vor seinem Theologiestudium Mathematik studierte, lässt eine strukturierte und analytische Herangehensweise erwarten – ein deutlicher Kontrast zum charismatischen und spontanen Stil seines Vorgängers. Persönlich erkenne ich in der Namenswahl zudem eine tiefere symbolische Verbindung zu Papst Leo dem Großen und seiner maßgeblichen Rolle im christologischen Streit. Doch das Erbe birgt auch eine nachdenklichere Note: Martin Luther, der aus demselben Orden wie der neue Papst stammte, kehrte Rom einst angewidert den Rücken. Der mondäne Lebensstil der Kirche unter Papst Leo X hatte ihn zutiefst verstört. Ein weiterer, vielleicht noch ferner Zukunftstraum wäre es, wenn Papst Leo, der den Protestantismus aus seiner amerikanischen Heimat kennt, einen neuen, hoffnungsvollen Anlauf im Dialog mit den Kirchen der Reformation wagte – eine Versöhnung, die Martin Luthers prägende Romerfahrung vor Jahrhunderten in einem völlig neuen Licht erscheinen ließe. Doch das bleibt vorerst Zukunftsmusik. Im gegenwärtigen Rom pulsiert das Heilige Jahr weiter, erfüllt von den Gebeten der Pilger und einem erstaunlich harmonischen Spagat zwischen ehrwürdigem religiösem Erbe und lebendigem Zentrum des Glaubens.