Für die Roma habe das Attentat aber auch den Beginn einer völlig neuen Erfahrung markiert: Erstmals in der Geschichte der österreichischen Roma hätten sich die Organe der Republik und weite Teile der Bevölkerung mit der Volksgruppe solidarisiert.
Für die Roma habe das Attentat aber auch den Beginn einer völlig neuen Erfahrung markiert: Erstmals in der Geschichte der österreichischen Roma hätten sich die Organe der Republik und weite Teile der Bevölkerung mit der Volksgruppe solidarisiert.
Kirchen und Politik setzten gemeinsames Zeichen gegen Rassismus. Bischof Scharl: Jeder muss Verantwortung übernehmen. Nationalratspräsident Sobotka: Schon gegen die kleinen Anfänge des Rassismus die Stimme erheben.
Zu einer Allianz gegen Rassismus und Extremismus rief am Dienstagabend das Gedenken an die Bombenopfer von Oberwart vor 25 Jahren auf. Am 4. Februar 1995 wurden die vier Roma Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon Opfer eines Bombenanschlages, als sie eine Tafel mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien" entfernen wollten. Zur Gedenkfeier hatten die Diözese Eisenstadt und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eingeladen, der mit Weihbischof Franz Scharl und Superintendent Manfred Koch zur gemeinsamen Verantwortung aufrief.
"Wir wollen die Opfer heute in unsere Mitte holen", sagte Manuela Horvath, Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt, eingangs. Sie hat selbst Angehörige beim Attentat verloren. Ihr Appell: "Wir müssen Mut zeigen und aktiv gegen Rassismus auftreten."
An der Gedenkfeier nahmen auch Opfer und Adressanten der Briefbombenserie teil, die Österreich von 1993 bis 1996 erschütterte; etwa der frühere Caritas-Präsident Helmut Schüller, die Politikerin Terezija Stoisits und Pater August Janisch. Schülerinnen und Schüler der Europa-Mittelschule in Oberwart stellten u.a. die Biografien der vier ermordeten Opfer vor sowie einen Film über den Anschlag.
Das Attentat von Oberwart markiere "das Ende von fünf Jahrzehnten friedfertiger und konsensualer Politik in Österreich und ein Wiedererwachen eines mörderischen, rassistischen Rechtsextremismus", betonte Gerhard Baumgartner, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Der Historiker hielt den Hauptvortrag der Gedenkfeier.
Die ermordeten Roma seien Opfer einer rechtsextremen Ideologie geworden, "die sich gegen Minderheiten im eigenen Land und gegen Zuwanderer richtete und richtet." Die Bombe von Oberwart sei eine "direkte Reaktion" auf die Anerkennung der Roma als österreichische Volksgruppe gewesen.
Für die Roma habe das Attentat aber auch den Beginn einer völlig neuen Erfahrung markiert: Erstmals in der Geschichte der österreichischen Roma hätten sich die Organe der Republik und weite Teile der Bevölkerung mit der Volksgruppe solidarisiert, erläuterte Baumgartner. So sei das Begräbnis der Opfer mit 10.000 Trauergästen eigentlich "ein Staatsbegräbnis" gewesen.
In Österreich gelte institutionalisierter Rassismus zwar als unvereinbar mit den demokratischen Grundwerten der Republik, so der Historiker, aktuell seien aber wieder "ethnische, rassistische Politikansätze" auf dem Vormarsch." Der DÖW-Leiter nahm dabei etwa explizit auf das FPÖ-Parteiprogramm Bezug.
Im Anschluss an die Veranstaltung in der Schule folgten ein Schweigemarsch und eine Kranzniederlegung bei der Gedenkstätte nahe der Oberwarter Roma-Siedlung. Der Wiener Weihbischof Franz Scharl und der evangelische Superintendent Manfred Koch sprachen ein ökumenisches Gebet. Scharl sagte, dass jede und jeder in der Verantwortung für die Mitmenschen stehe. "Übernehmen wir Verantwortung, indem wir Gerechtigkeit zu üben versuchen? Stehlen wir uns nicht davon!", so sein Appell. Weihbischof Scharl ist in der Österreichischen Bischofskonferenz u.a. für die Roma-Seelsorge zuständig.
Das Gedenken ist wichtig als Erinnerung und Ermahnung, betonte Superintendent Koch. Auch heute sei es nötig "ähnliche Tendenzen rechtzeitig zu erkennen und dagegen zu handeln." Dabei gehe es nicht nur um Appelle, sondern das auch im Alltag zu leben, etwa "in der Begegnung mit Menschen, die durch ihre Sprache, ihre Hautfarbe, ihre Religion als Außenseiter, als Fremde gesehen werden".
Der Mord, der vor 25 Jahren geschehen sei, bleibe nicht nur unvergessen, sondern habe auch die Gesellschaft in Österreich verändert, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka: "Sie ist verletzlich geworden, wo wir geglaubt haben, wir haben die Schrecken des Nazireiches, der Vernichtungsmaschinerie überwunden." Die Gedanken seien damals, zuvor, aber auch danach und bis zum heutigen Tag aus manchen Köpfen nicht verschwunden.
Die bei der Gedenkfeier Anwesenden seien davon überzeugt, dass nur der gegenteilige Respekt ein friedvolles Leben miteinander ermöglicht, so Sobotka, aber: "Holen wir die ab, die distant stehen, holen wir die ab, die sich abkehren, die nicht hinsehen. Und holen wir die ab, die Schlechtes im Schilde führen, die die Gemeinsamkeit unseres Landes stören wollen."
Emmerich Gärtner-Horvath, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates der Roma, erinnerte daran, dass das Attentat auch positive Folgen hatte: "Gott sei Dank gab es Menschen, die mit uns Roma in dieser schwierigen Zeit solidarisch waren und noch immer sind."