Im Konflikt zwischen Caritas und FPÖ bzw. Regierung hat sich der frühere ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Wort gemeldet. Den Vorwurf, die Caritas würde "Opposition betreiben", stellte er in Abrede.
Im Konflikt zwischen Caritas und FPÖ bzw. Regierung hat sich der frühere ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Wort gemeldet. Den Vorwurf, die Caritas würde "Opposition betreiben", stellte er in Abrede.
Interview in Kirchenzeitungen: Durch ähnlich ausgerichtete Koalitionspartner bleiben Migranten, Arbeitslose, sozial Schwache bleiben "außen vor". Rolle der Caritas dadurch anders wahrgenommen.
Im Konflikt zwischen Caritas und FPÖ bzw. Regierung hat sich der frühere ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Wort gemeldet. Den Vorwurf, die Caritas würde "Opposition betreiben", stellte er in Abrede: "Ich sehe das nicht so." Aber die Rolle der Caritas werde durch die neue Regierungskonstellation "natürlich akzentuierter wahrgenommen", sagte der Vorgänger von Sebastian Kurz als ÖVP-Parteichef im Interview mit der Kooperationsredaktion der Kirchenzeitungen, Ausgabe 20. Jänner 2019.
"Früher wurden die Themen in der Regierung mit zwei unterschiedlichen Partnern letztlich weitgehend integrativ ausdiskutiert. Fast niemand blieb außen vor", blickte Mitterlehner zurück. "Heute denken beide Koalitionspartner ähnlich, Entscheidungen fallen rasch. Aber Migranten, Arbeitslose, sozial Schwache bleiben außen vor. Da wird die Schützer- und Interessenvertretungsrolle der Caritas auch anders wahrgenommen."
Die Caritas und ihren Präsidenten Michael Landau schätze er, wie der Ex-Politiker versicherte, der seit September 2017 ein eigenes Unternehmen im Bereich Unternehmens- und Strategieberatung leitet. Kritik ließ er im Kirchenzeitungsinterview an manchen "kirchlichen Würdenträgern auf oberster Ebene" anklingen, bei denen er "eher ein Sich-Arrangieren mit den Etablierten" sehe.
Eine derzeit "sehr polarisierte" Debatte rund um die Caritas beobachtet die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel. Wie Landau seine Kritik an der Regierung angebracht hat, halte sie für legitim, sie warnte aber vor einem moralischen Absolutheitsanspruch: "Es gibt in der Kirche auch andere Überlegungen, wie eine Sozialordnung gerecht zu gestalten ist." Gabriel ortet im katholischen Lager auch eine Art "Tea-Party-Bewegung" (nach einer sehr konservativen Gruppe bei den US-Republikanern), die sehr sozialstaatskritische Positionen vertrete und sich nicht im christlich-sozialen Rahmen bewege.
Dass die katholische Kirche in Österreich mit ihren mehr als fünf Millionen Mitgliedern auch ein "politischer Faktor" ist, hält Gabriel für "selbstverständlich". Laut der Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Wien ist die Kirche aber auch ein komplexes System. "Die Caritas ist eine wichtige Stimme der Kirche, aber nicht die einzige."
Beide Fachleute äußerten sich zur Frage, wie heute christlich-soziale Politik zu verstehen sei. Ingeborg Gabriel nannte in erster Linie eine "Gemeinwohlorientierung, die vor allem auch die schwächeren Glieder der Gesellschaft im Blick haben muss". Legitim seien freilich Abwägungsfragen, etwa im Hinblick auf das Budget und politische Folgen. Als Beispiel nannte die Theologin die Diskussion über die Höhe der Mindestsicherung: "Wenn Menschen eine Pension bekommen, die nahe der Mindestsicherung liegt, und sie das Verhältnis zu dieser nicht als gerecht empfinden, soll man mit Worten wie 'Neiddebatte' vorsichtig sein", warnte die Sozialethikerin.
In den vergangenen Jahrzehnten sei zu wenig über soziale Themen debattiert worden. Jetzt müsse man in Österreich erkennen, "dass nicht alle Menschen genug vom Kuchen bekommen", sagte Gabriel.
Für Reinhold Mitterlehner ist christlich-soziale Politik ein Anspruch, der ständig neu an der gesellschaftlichen Entwicklung ausgerichtet werden muss - "sei es im Kleinen bei der Abschiebung von Lehrlingen mit negativem Asylbescheid, sei es im Großen, wenn es um den UN-Flüchtlingspakt geht".