Am 2. August feiern franziskanische Orden das Fest Unsere Liebe Frau von den Engeln (Portiuncula) mit einem besonderen Ablass. Dieser bewirkt nach katholischer Überzeugung den Nachlass von Sündenfolgen, der aber auch konkrete soziale Verantwortung und den Einsatz für eine gerechtere Welt einschließt
Am 2. August feiern die franziskanischen Orden und Gemeinschaften das Fest Unsere Liebe Frau von den Engeln. Es ist das Patrozinium der Portiunculakirche, die im Leben des Heiligen Franziskus eine wichtige Rolle spielte und das einzige Geschenk war, das er je angenommen hat. Papst Honorius III, der den Franziskanerorden anerkannte, verband mit diesem Fest einen vollkommenen Ablass. Das war damals eine Sensation, da zuvor für einen Ablass oft eine große Wallfahrt oder die Teilnahme am Kreuzzug erforderlich waren. Nun genügte es, die Kirche zu besuchen, Sakramente zu empfangen und Gebete zu sprechen. Im Mittelalter, als der Gedanke an das Jüngste Gericht die Menschen mindestens so umtrieb wie uns heute die drohenden Folgen der Klimakrise, bedeutete das eine geradezu sensationelle Erleichterung.
Das Verständnis für den Ablass ist mittlerweile unter Katholiken weitgehend verlorengegangen. Zu viele Missverständnisse und historische Missbräuche haben ihn überladen. Der Grundgedanke dahinter ist jedoch relativ einfach: Jedes Handeln und Unterlassen hat Konsequenzen. Selbst wenn uns jemand eine ungerechte Tat verzeiht, müssen oft Zeit und Mühe investiert werden, um die Schäden zu bereinigen - eine Erfahrung, die jeder von uns im Alltag, vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen macht. Die katholische Lehre vom "Ablaß der zeitlichen Sündenstrafen" knüpft genau an diese Unterscheidung zwischen Sündenvergebung und Heilung der Folgen der Sünden an.
Während der Reformation wurde die theologische Begründung und Verteidigung des Ablasses zunehmend in Frage gestellt, bis heute ist er, fast widerständig, fester Bestandteil kirchlicher Lehre. Laut dem Katechismus der katholischen Kirche ist der Ablass die Erlassung einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt wurde. Gläubige können diesen Ablass unter bestimmten Bedingungen erlangen: Sie müssen eine entsprechende innere Haltung haben, im Stand der Gnade sein (d.h. kurz zuvor gebeichtet und kommuniziert haben), ein bestimmtes Gebet sprechen oder konkrete Bußwerke vollbringen.
Eine Interpretation des Ablasses des bedeutenden Theologen wie Karl Rahner betont den Heilswillen Gottes, der in Christus zum Ausdruck kommt. Der Ablass ermöglicht eine schnellere und intensivere Reinigung des Menschen in der Gemeinschaft der Nachfolge Christi. Rahner sieht die zeitlichen Sündenstrafen nicht als von außen auferlegte Strafen, sondern als Konsequenzen, die aus den begangenen Sünden selbst resultieren.
Ein anderer Aspekt, betont von Theologen wie Ottmar Fuchs, ist, dass die destruktiven Folgen der Sünde (z. B. Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Umweltkrisen) Konsequenzen haben, die wir nicht vollständig kontrollieren oder verstehen können. Der Ablass bedeutet daher nicht nur eine individuelle Erleichterung der Schuld und ihrer Folgen, sondern auch die Verantwortung, aktiv gegen diese negativen Auswirkungen anzugehen und sich für eine bessere, gerechtere Welt einzusetzen.
Die kirchliche Ablasspraxis bezieht sich daher auch auf die sozialen, ökologischen und politischen Dimensionen der christlichen Verantwortung für die Welt. Es geht darum, bewusst gegen die negativen Folgen der Sünde anzugehen, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv für eine positive Veränderung einzusetzen. Der Glaube an die Möglichkeit der Vergebung motiviert so dazu, eine gerechte und bessere Welt für alle zu schaffen.