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11.09.2023 · Kardinal

Schönborn: Vereinheitlichung führt immer zu Verlust von Freiheit

Freiheit bleibt das große Thema. Viele Millionen sind weltweit unterwegs als Flüchtlinge. Als 2015 die große Flüchtlingswelle nach Österreich und Deutschland hereinströmte, wurde meine Mutter, damals 95-jährig, vom Fernsehen interviewt. Ihre Aussage hat viele Menschen berührt: „Niemand verlässt freiwillig seine Heimat!“

Wiener Erzbischof erhielt Ehrendoktorwürde der Palacky Universität in Olomouc - Schönborn in Dankesrede mit Warnung vor "Einheit des Staates um den Preis der Vereinheitlichung" - Motive der Flüchtlinge heute dieselben, wie in Jahrhunderten zuvor.

Für Kardinal Christoph Schönborn ist die Idee von der Schaffung staatlicher Einheit durch gewaltsame Vereinheitlichung eine der größten Verursacher von Leid in der jüngeren Geschichte. In der Geschichte habe die Ideologie der Vereinheitlichung des Staates stets die Vertreibungen von Minderheiten zur Folge gehabt, warnte der Wiener Erzbischof laut Redemanuskript in seiner Promotionsrede zur Verleihung des Ehrendoktorats der Palacky Universität im tschechischen Olomouc (Olmütz) am Montag. Schönborn erhielt das Ehrendoktorat für seinen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Theologie in Tschechien nach dem Kommunismus, hieß es in einer Erklärung der Theologischen Fakultät der tschechischen Hochschule.


Eine angestrebte Einheit des Staates um den Preis der Vereinheitlichung habe immer zum Verlust von Freiheit geführt, sagte Schönborn, "denn Freiheit gibt es nicht ohne ein wirkliches Ja zu zur Vielfalt". Er nannte etwa die aus dem Westfälischen Frieden (1648) hervorgegangene grundsätzliche Toleranzbereitschaft nach "dem fatalen Prinzip" 'cuius regio eius religio' (lateinisch für wessen Gebiet, dessen Religion), das den Herrscher eines Landes berechtigte, die Religion für dessen Bewohner vorzugeben, als mahnendes Beispiel.

Aktuell bekomme dieses Prinzip "wieder tragische Aktualität". Schönborn nannte etwa die Bestrebungen der Hindunationalisten, Indien in einen Hindustaat zu verwanden, die Buddhisten in Myanmar, die alle Nichtbuddhisten zu Landfremden erklärten, oder "islamische Staaten, die jegliche Religionsfreiheit verweigern". Die Ideologie der ethnischen Vereinheitlichung habe auch "zum unlösbaren und unlebbaren Problem des heutigen Bosnien geführt", in dem "de facto eine Form des ethical cleansing praktiziert wird", so der Wiener Erzbischof.


Warnung vor Vereinheitlichung

Schönborn nahm schließlich auch auf die "Engermanisierung" Tschechiens im Zuge der Machtübernahme der Kommunisten Bezug. Schönborn wurde in Böhmen, im Landkreis Leitmeritz geboren, die Familie musste als Folge der Benes-Dekrete aus der Heimat fliehen. Die Vereinheitlichung sei mit der kommunistischen Machtübernahme "bleierne Wirklichkeit" geworden, so der Erzbischof. "Eine Partei bestimmt alles. Eine gleichgeschaltete Wirtschaft, eine gleichgeschaltete Kultur, Medien, die nur die eine 'Wahrheit' kennen dürfen, die der Partei."

Dazu sei die massive Religionsverfolgung durch den atheistischen Einheitsstaat gekommen. "Ich habe mich schon früh gefragt: Wer hat das bessere Los gezogen: wir, die Heimatvertriebenen, oder die, die geblieben waren?" So habe die Verwandtschaft, die geblieben war, auch alles verloren, "aber dazu auch noch die Freiheit".


"Niemand verlässt freiwillig seine Heimat"

Die 2022 verstorbene Mutter des Erzbischofs, Eleonore Schönborn, habe 2015, als die große Flüchtlingswelle nach Österreich und Deutschland kam, in einem Fernsehinterview mit dem Satz "niemand verlässt freiwillig seine Heimat" viele Menschen berührt, so der Kardinal. Damals, als die Familie Schönborn aus der Heimat fliehen musste, wie heute, sei das Flüchtlingsthema "weltweit von erschütternder Aktualität". Das zeige etwa das Los der Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, wies der Wiener Erzbischof hin.

Auch Papst Franziskus werde nicht müde, auf das Schicksal der Flüchtlinge hinzuweisen. "Die Sehnsucht nach Freiheit ist so groß, dass zahllose Flüchtlinge ihr Leben riskieren, um aus Krieg, Hunger, Diktatur, Zukunftslosigkeit zu flüchten. Die Flüchtlingsströme sagen viel über diese Sehnsucht, die in jedem Menschen lebt", so der Erzbischof. Die Zielländer der Flüchtlinge gäben dabei genaue Angaben darüber, was die Mehrheit der Menschen unter Freiheit versteht: "Sicherheit, normale Lebensbedingungen, Zukunft für die eigene Familie, ungehinderte Ausübung der eigenen Religion, Gestaltung des eigenen Lebens."

Der Grund, warum Europa heute für viele flüchtende Menschen Ziel ihrer Flucht sei, sei also kein anderer, als der, der seine Mutter 1945 veranlasst habe, mit ihren zwei Kindern nach Österreich zu flüchten. "Ich bin Gott von Herzen dankbar, dass heute niemand aus denselben Gründen aus dem Vereinten Europa flüchten muss", so Schönborn. Er hoffe, "dass wir uns alle dankbar daran erinnern, dass diese Situation Europas ganz und gar nicht selbstverständlich ist", schloss der Wiener Erzbischof.



Durch Ehrung zur Versöhnung beitragen

Der Erzbischof, der mit der tschechischen Universität durch offizielle und persönliche Kontakte über viele Jahre hinweg verbunden ist, bezeichnete die Auszeichnung als persönlich "sehr berührendes Zeichen". Ebenso sei es ein Zeichen, die Tschechische Republik und Österreich betreffend, und auch für die Bindung der katholischen Kirche in den beiden Ländern.

In akademischen Kreisen in Tschechien wird immer wieder auf Schönborns Unterstützung bei der Wiederbelebung der theologischen Lehre im Land nach Ende des Kommunismus in der Tschechoslowakei hingewiesen. Unter anderem hielt der Wiener Erzbischof schon bald nach der Samtenen Revolution von 1989 Vorträge an verschiedenen Hochschulen in der damaligen Tschechoslowakei.


Dekan: In Schönborn "Teil unserer Geschichte"

Der Dekan der theologischen Fakultät, Vit Husek, würdigte Schönborn in seiner Laudatio als Person, in der "wir auch einen Teil unserer Geschichte" finden. "Indem wir ihn ehren, indem wir ein Mitglied einer Familie ehren, die am Ende des Zweiten Weltkriegs aus unserem Land vertrieben wurde, können wir vielleicht ein wenig zum Prozess der Versöhnung mit unserer Vergangenheit beitragen", so Husek laut Redemanuskript. So sei es "eine große Ehre für unsere Olmützer Alma Mater, die in diesem Jahr ihr 450-jähriges Bestehen feiert, Sie bald zu den Ihren zählen zu dürfen".

Die nach dem Historiker Frantisek Palacky benannte Universität ist die älteste in Mähren und nach der Prager Karls-Universität die zweitälteste Tschechiens. Die Hochschule hat seit 1990 rund 50 Ehrendoktorate an Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland verliehen, die auf internationaler Ebene einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung von Wissenschaft und Kultur geleistet haben.

Schönborn wurde 1945 im böhmischen Skalken nahe der Stadt Litomerice (Leitmeritz) geboren, wuchs nach der Flucht der Familie aber in Vorarlberg auf. Ab Mitte der 1970er-Jahre lehrte der Dominikanerpater Dogmatik und Theologie des christlichen Ostens an der Schweizer Universität Fribourg. 1980 wurde Schönborn Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Heiligen Stuhls. Später war er u.a. Redaktionssekretär des 1992 veröffentlichten "Weltkatechismus" der katholischen Kirche. Nach seiner Ernennung zum Weihbischof 1991 wurde Schönborn 1995 Erzbischof von Wien. Seit 1998 gehört er auch dem Kardinalskollegium an.

erstellt von: kap
11.09.2023
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Tiefe Wunden- große Hoffnung

Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn am 9.November 2025 

Halloween

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 31.10. 2025

Schönborns Mahnung zum Nationalfeiertag: Österreich braucht Orientierung

Im Wiener Stephansdom kritisierte Kardinal Christoph Schönborn die gesellschaftliche Verrohung. Er forderte mehr Empathie und stellte die Frage, ob die Nation den "Jammer" der Flüchtlinge höre.

Österreich und das Evangelium

Gedanken zum Evangelium am Sonntag, den 26. Oktober 2025

Kardinal Schönborn zum Protektor von „Pro Oriente“ ernannt

Die Stiftung würdigt das unermüdliche ökumenische Wirken des scheidenden Wiener Erzbischofs. Sein Nachfolger betonte die Bedeutung des persönlichen Dialogs.

Gedanken zum Gräbergang

Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn am 1.und 2. November 2025 Mt 5,1-12a

Erzbischof Josef

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 24.10. 2025

Kardinal Schönborn dankt Klasnic bewegt für richtungsweisendes Werk

In Wien dankte Kardinal Schönborn der scheidenden Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic für ihre „Großtat“. Missbrauchsexperte Zollner systemischen Wandel von der Kirche forderte.

Verdunstet bei uns der Glaube?

Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntagsevangelium am 19.10.2025

Muss Armut sein?

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 17.10. 2025

Leib und Seele

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 10.10. 2025

Sonnengesang

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 3.10. 2025

Erbarmen und Dankbarkeit

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntagsevangelium vom 12.10.2025

Das kleine Körnchen Glaube

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntagsevangelium vom 5.10.2025

HyperFocal: 0

Lazarus vor deiner Tür

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntagsevangelium vom 28.9.2025

Zettel mit den Worten 'Die Macht der Worte'

Die Macht der Worte

"Antworten" von Kardinal Christoph Schönborn, aus der Zeitung HEUTE, am Freitag, 25. September 2025.

Kranker Mann mit vielen Medikamenten.

Wie sterben?

"Antworten" von Kardinal Christoph Schönborn, aus der Zeitung HEUTE, am Freitag, 19. September 2025.

Kardinal Schönborn in Köln: Mut und Hoffnung in der Krise

Kardinal Schönborn feierte vergangenen Sonntag als päpstlicher Legat den Gottesdienst zum 350- Jahr-Jubiläum von St. Maria in der Kupfergasse in Köln.

Gott und das liebe Geld

Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn am 21.9.2025

Das Kreuz im Widerspruch

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntagsevangelium vom 14.9.2025

Überfluss und Mangel

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 12.9. 2025.

Heilig

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 5.9. 2025

Jesus wird immer schwächer und kann das Kreuz kaum mehr tragen. Die Soldaten befehlen dem Bauern Simon von Cyrene, das Kreuz zu tragen., Mt 27,32 (vgl. auch Mk 15,21; Lk 23,26), Bad Schönau; Marienkirche

„Erfolgsrezept“ Christentum

Gedanken zum Evangelium Sonntagsevangelium vom 7.9.2025 Lk 14,25-33 von Kardinal Christoph Schönborn.

Predigt von Kardinal Schönborn heute Vormittag zur Seligsprechung von Bischof Eduard Profittlich

Die Seligsprechung von Erzbischof Eduard Profittlich findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem alte Wunden wieder aufzubrechen drohen. Gerade in dieser Gegend der Welt ist diese Sorge besonders gegenwärtig... so Kardinal Christoph Schönborn heute Vormittag in Tallin, wo er der Seligsprechung des ersten Bischofs von Estland vorstand. 

Schule und Reli

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 29. August 2025

Religion und Gewalt

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 22. August 2025

Himmel oder Hölle

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 24. August 2025

Gerangel um Rang und Ehre

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 31. August 2025.

Aufgenommen für immer

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 15. August 2025

Maria Himmelfahrt

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 15. August 2025

Kardinal Schönborn - päpstlicher Sondergesandter für Kölner Gnadenkapelle

Anlass ist Jubiläum der Gnadenkapelle "Maria in der Kupfergasse" am 14. September.

Büste des Hl. Dominikus /San Domenico, Bologna

Dominikus

Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 8. August 2025

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