Der gemeinsame Glaube gab so viel Hoffnung auf ein neues, geeintes, friedliches Europa
Der gemeinsame Glaube gab so viel Hoffnung auf ein neues, geeintes, friedliches Europa
Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE 24. Mai 2024
Vor 20 Jahren geschah etwas mir und vielen Unvergessliches: die „Wallfahrt der Völker“ nach Mariazell am 22. Mai 2004. Eben erst war die „Osterweiterung“ der Europäischen Union mit 1. Mai 2004 Wirklichkeit geworden. Ich bin noch mit dem kommunistischen „Eisernen Vorhang“ aufgewachsen, der Ost und West in Europa trennte. Es war wie ein Traum: Acht Länder Mitteleuropas, die bis vor kurzem in zwei Welten gespalten waren, taten sich zusammen, um gemeinsam nach Mariazell zu pilgern: Österreich, Ungarn, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, dazu noch Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Trotz schlechtem Wetter kamen 100.000 Pilger, die größte Wallfahrt, die es je nach Mariazell gegeben hat. Man kann sich heute schwer vorstellen, welche Freude es war, nach den Jahrzehnten der Trennung miteinander zu feiern und zu beten. Der gemeinsame Glaube gab so viel Hoffnung auf ein neues, geeintes, friedliches Europa. Was bleibt heute von dieser Hoffnung? Ich bin sicher, dass sie letztlich stärker ist als alle neuerlichen Bestrebungen, Europa wieder zu spalten. Damals blickte Europa nach Mariazell und sah: Der gemeinsame Weg ist möglich!