Sprecher des organisierenden Forschungszentrums "Religion and Transformation", Appel: Religionspolitische Fragestellungen rücken neu in den Fokus. Neues Interesse an Religion unter Jugendlichen speziell in stark säkularisierten Ländern feststellbar.
Es war eine außergewöhnliche Konferenz, die in der vergangenen Woche an der Universität Wien stattfand: Über 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte die Jahrestagung der "European Academy of Religion" (EuARe), die vom 8. bis 12. Juli unter dem Titel "Religion und soziokultureller Wandel: Europäische und darüber hinaus gehende Perspektiven" stattfand. Das Thema wurde von Fachleuten aus ganz Europa auf mehr als 200 Panels diskutiert. Unter den Vortragenden waren u.a. auch der frühere EU-Kommissar und Präsident des Europäischen Forums Alpbach, Franz Fischler, die britische Religionssoziologin Grace Davie, der britisch-pakistanische Soziologe Tariq Modood, der Wiener Philosoph Hans Schelkshorn sowie die Linzer Theologin Isabella Guanzini.
Eine Positiv-Bilanz zog der Wiener Theologe und Sprecher des die Tagung ausrichtenden Forschungszentrums "Religion and Transformation in Contemporary Society" (RaT), Prof. Kurt Appel. Die Besonderheit der Tagungen der "European Academy of Religion", die ihren Sitz im italienischen Bologna hat, sei die enorme Bandbreite der Disziplinen: so würden dort Theologie, Religionswissenschaft und Religionssoziologie gleichermaßen zu Wort kommen und in einen Dialog treten können.
Sichtbar geworden sei bei der Tagung, dass religionspolitische Fragestellungen - etwa zum Verhältnis von Religion und Recht bzw. Religion und Politik - verstärkt in den Fokus rücken. Dies habe nicht zuletzt mit einer verstärkten kulturkämpferischen Situation und Verschärfung der Situation in den USA zu tun, so Appel. Zudem sei aus einigen Beiträgen herauszuhören gewesen, dass sich ein neues Interesse gerade junger Menschen an Religion speziell in den stärker säkularisierten Ländern wie etwa in Skandinavien, Großbritannien und Frankreich abzeichne. Es sei aber zu früh, um hier statistisch belastbare Aussagen zu tätigen, räumte Appel ein. Entsprechende Signale würde man aus steigenden Konfirmationszahlen in Skandinavien, ein Plus an Taufen in Frankreich und steigende Gottesdienstbesuche in Großbritannien herauslesen.
Die zentralen Keynotes der Tagung und ausgewählte Beiträge sollen demnächst in der Zeitschrift "Journal for Religion and Transformation in Contemporary Society" erscheinen. Im kommenden Jahr soll die Jahrestagung in Rom stattfinden.
Bei der EuARe-Tagung präsentierte sich auch ein 2024 neu gegründetes "Interfaith-Institute" von "Christen in Not" (CiN). Ziel des Instituts ist laut Aussendung von CiN die "Erforschung der interreligiösen Harmonie auf der Grundlage praktischer Erfahrungen aus Projekten an der Basis". "Mit unserem Institut bringen wir einen wichtigen Beitrag aus der praktischen Arbeit in die akademische Diskussion mit ein", zog der Direktor des Instituts, Elmar Kuhn, eine positive Bilanz zu den vom Institut organisierten Panels bei der Tagung.
Bei einem Panel über "Ausgrenzung und Intoleranz gegenüber Religionen" diskutierten u.a. der Wiener Oberrabbiner Jaron Engelmayer, der Vertreter der Stabsstelle am Bundeskanzleramt für den "Internationalen Schutz verfolgter religiöser Minderheiten", Alexander Muhr, und Msgr. Obiora Ike aus Nigeria die Erfahrungen aus der Praxis und deren Relevanz für jede theoretische Auseinandersetzung. Ein weiteres, von CiN organisiertes Panel beschäftigte sich mit der Frage der "Dead Ends" des Interreligiösen Dialogs und neuen Aufbrüchen zu einem fruchtbaren Dialog der Religionen für die Gesellschaften. Der langjährige Untersekretär der vatikanischen Bildungsbehörde, Friedrich Bechina, referierte außerdem über "Religionsunterricht zwischen öffentlicher Unterstützung und Marginalisierung".