Die Schwesterngemeinschaft der Caritas Socialis und eine breite politische Plattform haben am Mittwoch im Wiener Stephansdom einen Gottesdienst im Gedenken an die seliggesprochene Hildegard Burjan (1883-1933) gefeiert. Der zelebrierende Salzburger Priester und Rektor der Anima in Rom, Michael Max, würdigte die Parlamentarierin der Zwischenkriegszeit und Gründerin der Caritas Socialis als große Persönlichkeit, die motiviert durch ihren Glauben Bleibendes gestiftet habe. An dem Gottesdienst nahmen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Parlamentsparteien teil - darunter der christlich-soziale EU-Parlamentarier Lukas Mandl, der maßgeblich an der Vorbereitung der Gedenkmesse mitwirkte.
Weitere Teilnehmende waren u.a. die Abg.z.NR Gudrun Kugler (ÖVP) und Philipp Schrangl (FPÖ), Neos-Bundesrat Karl Arlamovsky sowie die Wiener Kommunalpolitiker Judith Pühringer (Grüne) und Peko Baxant (SPÖ). In den von den politisch Tätigen gesprochenen Fürbitten war Mut zu Dialogbereitschaft und Brückenbauen ebenso Thema wie die Verletzlichkeit der Schöpfung, eine vom Gewissen geleitete Politik sowie mehrfach der gerade in Nahost und der Ukraine schmerzlich vermisste Friede.
Anima-Rektor Max zog in seiner Predigt eine Parallele zwischen dem derzeit im Diözesanmuseum Freising ausgestellten Tassilo-Kelch und Glaubensvorbildern: Beide seien "da, um gefüllt zu werden" - Hildegard Burjan habe erfüllt von Christus in der Politik Verantwortung übernommen und sich dabei besonders für Benachteiligte eingesetzt. Es brauche gerade heute, da der Konsens in der Gesellschaft brüchig geworden sei, Hoffnungsträgerinnen und -träger, die anderen Menschen Orientierung geben.
Hildegard Burjan wurde am 30. Jänner 1883 in Görlitz an der Neiße als zweite Tochter einer liberalen jüdischen Familie geboren. Nach einer schweren Erkrankung fand sie zum katholischen Glauben. Mit ihrem Gatten Alexander übersiedelte sie 1909 nach Wien und begann sich hier intensiv für Randgruppen der Gesellschaft zu engagieren. 1919 zog sie als erste christlich-soziale Abgeordnete in das Parlament der Ersten Republik Österreich ein. Als verheiratete Frau und Mutter gründete sie die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, deren Vorsteherin sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1933 blieb.
Lukas Mandl hob für das politische Vorbereitungsteam gegenüber Kathpress die vielfache Bedeutung der Seligen hervor. Burjan, eine Frau jüdischer Herkunft, habe als Politikerin sowohl im österreichischen Parlament als auch im Wiener Landtag gedient und sich gegen Widerstände auch in ihrer eigenen Gesinnungsgemeinschaft als Parlamentarierin für das Gemeinwohl engagiert. Eines ihrer wesentlichen politischen Verdienste war aber die Verabschiedung des "Hausgehilfinnengesetzes", womit für diesen Berufsstand erstmals Rechtsgrundlagen für die Arbeits- und Lohnbedingungen geschaffen wurden.
Burjan sei das einzige Parlamentsmitglied weltweit, das in der Neuzeit selig- oder heiliggesprochen wurde, unterstrich Mandl. Sie könne für alle Politikerinnen und Politiker, aber auch darüber hinaus, ein bedeutendes Vorbild sein. Burjan sei klar in der Sache gewesen, keine faulen Kompromisse eingegangen, zugleich aber sehr verbindlich in der Kommunikation über Parteigrenzen hinweg. Dieser respektvolle, wertschätzende Umgang miteinander sei in der Politik in Österreich wie auch auf Europaebene weitgehend verloren gegangen, bedauerte der Europa-Politiker.
Seit ihrer Seligsprechung im Jahr 2012 begehen österreichische Politikerinnen und Politiker aller Parteien gemeinsam den Gedenktag (12. Juni) von Hildegard Burjan.